Schiwys Chefsessel wackelt

■ Muß NDR-Intendant gehen / Aufsichtsgremien sollen geändert werden / Weniger Parteieneinfluß

(dpa/taz) - Die Aufsichtsgremien des Norddeutschen Rundfunks (NDR) sollen nach dem Wahlsieg der SPD in Niedersachsen grundlegend geändert werden. In einem am Freitag in Hamburg bekannt gewordenen Entwurf eines neuen NDR-Staatsvertrages vom 2. Juli ist vorgesehen, die Zahl der Rundfunkratsmitglieder von 31 auf 39 zu erhöhen. Die Zahl der Verbandsvertreter soll von 16 auf 32 verdoppelt werden. In dem Papier ist nur noch von neun Sitzen (statt 15) für Parteien- und Parlamentsvertreter die Rede. Nach einer weiteren Beratung der drei norddeutschen Regierungschefs ist sogar eine Verminderung der Zahl der Parteienvertreter auf nur sieben denkbar.

Die Verbände der Vertriebenen und der Haus- und Grundstückseigentümer, der Reichsbund der Kriegsopfer, Behinderten, Sozialrentner und Hinterbliebenen sowie der Deutsche Bundeswehrverband und der Verband der freien Berufe sollen im künftigen NDR-Rundfunkrat nicht mehr sitzen. Stärker vertreten sind dagegen die Evangelische Kirche (mit zwei statt einem Sitz) und die Frauenverbände (mit drei statt einem Sitz). Neu aufgenommen wurden der Verbraucherverband, der Verband der Ausländer, der Deutsche Mieterbund, die Arbeitsgruppe bildende Kunst, der Verband der Schriftsteller sowie Greenpeace und der Landesnaturschutzbund Schleswig-Holstein.

Der neue Rundfunkrat soll nach Paragraph 45 des Staatsvertragsentwurfs „unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach seinem ersten Zusammentritt“ den Verwaltungsrat wählen. Der Verwaltungsrat hat unter anderem das Recht, dem Rundfunkrat die Abwahl des amtierenden Intendanten vorzuschlagen. Damit besteht theoretisch die Möglichkeit, den derzeitigen CDU-nahen NDR-Indendanten Peter Schiwy bis zum Juni 1991 abzulösen, obwohl Schiwys Vertrag bis 1993 läuft. Als Nachfolger steht Schiwys bisheriger Stellvertreter, der SPD-Mann Jobst Plog, bereit.

Nach dem neuen Entwurf soll beim NDR weiterhin der stellvertretende Intendantenposten bleiben. Diese Rarität innerhalb der ARD-Anstalten kostet den NDR jährlich rund 850.000 Mark. Die beiden Chefsessel werden gewöhnlich nach Proporz besetzt. Das hieße, es bliebe auch künftig für die CDU als führende Oppositionspartei ein Posten übrig, für den der bisherige Landesfunkhauschef in Hannover, Thomas Bernd Stehling (CDU) favorisiert wird.

Weiter wird in dem Staatsvertragsentwurf die strikte Gleichstellung der Frauen im Sender verlangt, ein Redakteursstatut geplant und die Herausgabe einer eigenen Programmzeitschrift erwogen.