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Kündigung - was dann?

■ Roter Faden Teil 6 behandelt die Kündigungsschutzklage

Der rote Faden

Teil 6

1. Rechtsweg. Laut § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht einzureichen. Zu beachten ist, daß Kündigungen schon durch mündlichen Ausspruch zugehen können.

Der Staatsvertrag sieht die Übernahme des Gesetzes in der DDR vor. Da Arbeitsgerichte dort momentan nicht vorhanden sind, wird die Volkskammer eine Übergangsregelung beschließen müssen. Bisher waren für arbeitsrechtliche Streitigkeiten die Kreisgerichte zuständig. Zunächst war aber die betriebliche Konfliktkommission anzurufen (§ 297 AGB). Laut Staatsvertrag ist den Konfliktkommissionen nunmehr die Rechtsgrundlage zu entziehen und statt dessen bis zum Aufbau einer besonderen Arbeitsgerichtsbarkeit ein System von Schiedsstellen zu schaffen (Art. 6 Abs. 3). Die Schiedsstellen sollen für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis zuständig sein, paritätisch besetzt werden und einen neutralen Vorsitz erhalten. Gegen ihre Entscheidungen muß der Weg zu den Gerichten eröffnet werden.

Die Installierung dieser Schiedsstellen wird nicht von heute auf morgen erfolgen können. Zur Fristwahrung empfiehlt es sich daher, die Klage innerhalb der drei Wochen beim Kreisgericht einzureichen. Nicht fehlen sollte der Antrag, die Klage gegebenenfalls an die zuständige Stelle zu verweisen. Werden dann Schiedsstellen oder schon Arbeitsgerichte errichtet, empfiehlt es sich umgehend, bei diesen ein Doppel der Klage einzureichen.

2. Klaganträge. Gemäß § 4 KSchG ist ein Antrag auf Feststellung zu stellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Der Antrag ist auf eine konkrete Kündigung (Datum) zu beziehen.

Verbreitet wird in der BRD zusätzlich ein Antrag auf tatsächliche Weiterbeschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus gestellt. Der Hintergrund ist, daß über den Feststellungsantrag oft jahrelang in sämtlichen Instanzen gestritten wird, während die/der Kläger/in nach Ablauf der Kündigungsfrist den Betrieb verlassen muß. Erfahrungsgemäß wird die Aussicht der tatsächlichen Weiterbeschäftigung nach Monaten und Jahren der Abwesenheit immer geringer. Der Weiterbeschäftigungsantrag dient dem Zweck, nach einem Sieg in der ersten Instanz die tatsächliche Beschäftigung per vorläufiger Vollstreckung durchzusetzen. Er beruht auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das in einer Grundsatz-Entscheidung vom 27.2. 1985 den Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung während des Kündigungsschutzverfahrens zubilligte, sobald in der ersten Instanz die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt worden ist.

3. Klagbegründung. Um die Kündigungsschutzklage zu begründen, muß von Arbeitnehmerseite zum Kündigungsgrund selbst nichts ausgeführt werden. Denn der Arbeitgeber trägt die Darlegungslast, er muß die Kündigung rechtfertigen. Erst im weiteren Verlauf gilt es, die Begründung des Arbeitgebers zu bestreiten und die eigene Sicht der Dinge darzustellen. In der Klagschrift genügt die schlichte Behauptung, daß die Kündigung (konkrete Kündigung mit Datum angeben!) sozial ungerechtfertigt sei. Damit das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung kommen kann, sind aber zwingend zwei Fakten vorzutragen: Es muß dargelegt werden, daß zum Zeitpunkt der Kündigung das Arbeitsverhältnis ununterbrochen seit mehr als sechs Monaten bestand und daß mehr als fünf Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) im Betrieb beschäftigt waren. Bei Teilzeitbeschäftigten im Betrieb ist §23 Abs. 1 Satz 3 KSchG zu beachten.

Zu denken ist gegebenenfalls noch daran, die fehlende oder fehlerhafte Anhörung des Betriebsrates (s. unten IV.1.) zu beanstanden und - bei betriebsbedingter Kündigung - die Gründe der sozialen Auswahl zu erfragen. Denn hierzu braucht der Arbeitgeber nicht ungefragt vortragen.

4. Fristlose Kündigung. Auch gegen eine fristlose Kündigung

-im Entwurf zum Arbeitsgesetzbuch der DDR in § 56 vorgesehen - ist Klage auf Feststellung zu erheben, daß das Arbeitsverhältnis dadurch nicht aufgelöst wird. Zur Begründung ist aufzuführen, daß ein „wichtiger Grund“ nicht besteht. Häufig wird hilfsweise fristgemäß gekündigt oder die fristlose Kündigung vom Gericht in eine fristgemäße umgedeutet. Daher ist es ratsam, die Klage gegen die fristlose Kündigung mit den oben unter 2. und 3. genannten Ausführungen zu verbinden.

5. Mehrere Kündigungen. Jede Kündigung muß mit einer erneuten Klage angegriffen werden. Erfahrungsgemäß gibt es Arbeitgeber, die darauf hoffen, daß der/die Gekündigte dies versäumt. Häufig wird in der Klagerwiderung eine neue Kündigung mit entsprechend späterem Termin ausgesprochen. Manche Arbeitgeber entfachen gar wahre Kündigungskriege.

6. Arbeitskraft anbieten. Es wird vielfach für entbehrlich gehalten; sicherheitshalber aber sollte der/die Gekündigte dem Arbeitsgeber ausdrücklich erklären, daß die Arbeitsleistung über die Kündigungsfrist hinaus angeboten wird. In der Kündigungsschutzklage sollte dieses Angebot wiederholt werden. Für den Fall, daß sich die Kündigung als rechtswidrig herausstellt, wird der Arbeitgeber dadurch in Annahmeverzug gesetzt: Er muß den Lohn nachbezahlen, auch wenn er die Arbeitsleistung nicht in Anspruch genommen hat.

Handlungsmöglichkeiten

des Betriebsrates

1. Anhörung. Häufiger als am Widerspruch des Betriebsrates scheitern Kündigungen an der fehlerhaften Durchführung des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Denn der Arbeitgeber hat erhebliche Pflichten. Die Anhörung muß immer vor der Kündigung erfolgen; es gibt keine ausnahmsweisen Eilfälle. Angehört werden muß der Betriebsrat - als das Organ, nicht nur als Mitglied. Der Arbeitgeber muß die konkreten Tatsachen benennen, die zu der Kündigung führen sollen; Schlag- oder Stichworte genügen nicht. Bezüglich der sozialen Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) sind die Sozialdaten der einbezogenen Auswahlgruppe und die Auswahlkriterien anzugeben. Bevor der Arbeitgeber kündigen kann, hat er die Stellungnahme des Betriebsrates abzuwarten, höchstens allerdings eine Woche wegen einer fristgemäßen und drei Tage wegen einer fristlosen Kündigung.

Folge der fehlenden oder fehlerhaften Anhörung ist die Unwirksamkeit der Kündigung. Sie kann allerdings nur im Kündigungsschutzprozeß geltend gemacht werden. Selbst bei Nicht-Anhörung des Betriebsrates hat dieser keine Rechte, die Kündigung direkt zu unterbinden.

2. Widerspruch des Betriebsrates. Laut § 102 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat der Kündigung widersprechen. Doch bleibt der Arbeitgeber in seiner Entscheidung frei. Rechtliche Folge ist bestenfalls, daß Gekündigte bis zum Ablauf des Kündigungsschutzprozesses im Betrieb bleiben können (§ 102 Abs. 5 BetrVG). Das immerhin ist von erheblicher Bedeutung; denn wie schon erwähnt, sinken die Rückkehrchancen eines/r Gekündigten mit zunehmender Dauer des Prozesses, auch wenn er/sie letztlich Recht bekommt. Die Entscheidung des Betriebsrates, der Kündigung zu wiedersprechen, bedeutet also für Gekündigte die Chance, nicht nur den Prozeß zu gewinnen, sondern auch den Arbeitsplatz zu behalten.

3. Widerspruchsgründe. In § 102 Abs. 3 BetrVG sind fünf konkrete Widerspruchstatbestände genannt. Auf einen von ihnen muß sich der Betriebsrat in einer detaillierten Widerspruchsbegründung beziehen. Andernfalls gilt der Widerspruch als offensichtlich unbegründet, und der Arbeitgeber kann sich gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG von der Weiterbeschäftigungspflicht entbinden lassen. Vom Betriebsrat ist also einige Phantasie und Mühe gefordert. Eine bloße Bezugnahme auf den Gesetzestext reicht ebensowenig wie ein Widerspruch in Schlagworten.

Der Betreibsrat hat erweiterte Widerspruchsmöglichkeiten, wenn er Auswahlrichtlinien gemäß § 95 BetrVG vereinbart hat. In Betrieben über 1.000 Beschäftigten hat er dazu einen durchsetzbaren Anspruch (§95 Abs. 2 BetrVG).

4. Sozialplan. Befinden sich Kündigungen im Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG, ist es für ein effektives Handeln des Betriebsrates oft zu spät. Möglichkeiten zur frühzeitigen Einflußnahme gibt das Recht der §§ 111 ff. BetrVG, wenn in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 Beschäftigten Kündigungen auf Betriebsänderungen zurückgehen.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Betriebsänderungen (Definition in § 111 Satz 2 BetrVG) ist begrenzt. Vom Betriebsrat erzwingbar ist nur der Sozialplan (§ 112 Abs. 4 BetrVG), bei dem es nur noch um die Folgenabwicklung, genauer gesagt um den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer/innen geht (§ 112 Abs. 1 BetrVG). Letztlich ist der Unternehmer rechtlich nicht gehindert, die Betriebsänderung in der Art und mit den Entlassungen durchzuführen, die er für wünschenswert hält. Allerdings wird durch den Sozialplan der Preis der Kündigungen in die Höhe getrieben. Ökonomische Rückwirkungen auf die unternehmerische Entscheidung sind also denkbar.

Vom Sozialplan zu unterscheiden ist der sogenannte Interessenausgleich. Dieser betrifft Art und Ausmaß der Betriebsänderung selbst; er ist aber rechtlich nicht erzwingbar. Der Betriebsrat kann lediglich ein aufwendiges Verhandlungsverfahren (§ 112 Abs. 2 BetrVG) in Gang setzen unter Einschaltung des Präsidenten des Landesarbeitamtes und Anrufung der Einigungsstelle. Auch darüber wird ein gewisser Einigungsdruck erzeugt; denn das Verfahren ist für den Arbeitgeber zeit- und kostenaufwendig.

Edgar Peter

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