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Deutschland, einig Fußballand!

■ Wider den Fußballseparatismus in deutschen Landen

QUERSPALTE

Mein Gott, nun war man gerade soweit, sich der oft gescholtenen, nie so richtig definierten und trotzdem immer gefühlten „DDR-Identität“ zu entledigen, wollte endlich sagen: Ja, Kollegen aus dem Westen, ihr habt ja recht, eigentlich sind wir ja alles Deutsche, und der Unterschied zwischen einem Dresdener und einem Münchener ist eben auch nicht größer als der zwischen einem Kieler und einem Dortmunder Germanen - jawoll.

Dabei ist einem diese Einsicht gar nicht leichtgefallen. Immer und immer wieder hatte man sich in bös -separatistischer Manier auf die eigene, ganz spezielle DDR -Prägung berufen und wider besseres Wissen der (west)deutschen Landsleute irgendwie eine Art Sonderstatus ein- geklagt - ein Rückfall in schlim me realsozialistische Zeiten, ich weiß.

Nun also - endlich geheilet von dem Wahne übergroß - gab man sich redlich Mühe, sich zu freuen, jubelte, was die Kehle hergab, um kundzutun: Seht, liebe Freunde, man ist geläutert, nur noch ein Deutschland soll forthin Vaterland uns sein! Doch kaum war der erste Freudenschrei verklungen, da hieß es plötzlich, man wäre ein „Trittbrettfahrer“, nicht „wir“ Deutschen seien der Meister aller (Fußball-)Divisionen, sondern bloß die Wessis hätten sich den Pokal erspielt! So, als ob Ost-Elbien nicht schon längst in die Artikel-23-Gemeinde aufgegangen wäre, heißt es doch plötzlich: „Die DDR hat in Italien weder gewonnen noch verloren - sie war gar nicht dabei!“ Und falls man nicht sofort vom Jubel läßt, wird dann gedroht: „Es könnten die Folgen für euch fürchterlich sein. Dann treten bei der nächsten WM nämlich zwei deutsche Teams an...“

Tja, hätte man noch seine mühsam abgelegte DDR-Identität, könnte man sich darüber vielleicht freuen - aber so? Schließlich gab es das, womit nun so gedankenlos gedroht wird - und zwar 1974 in München. Und wer erinnert sich nicht daran, daß bei jenem Zusammentreffen Deutschland 0:1 unterlag.

Olaf Kampmann

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