Ein Krankenhaus „kränkelt“

■ Einziges Krankenhaus in Berlin-Mitte bangt um seine Zukunft

Mitte. Im Schatten der zum Teil noch stehenden Mauer, unmittelbar am ehemaligen Todesstreifen steht das Krankenhaus Mitte. Die Idylle, die der rote Backsteinbau ausstrahlt, trügt jedoch: In der mit technischen Geräten gut ausgestatteten Klinik für Innere Medizin bangen die 164 MitarbeiterInnen um ihre berufliche Existenz. Sie befürchten, daß die Klinik im Rahmen des neu zu entwickelnden Krankenhausplans in ein Pflegeheim verwandelt wird.

Diesbezügliche Gerüchte schwirren schon seit Anfang des Jahres durch das Haus. Der damalige ärztliche Direktor, bei den Beschäftigten als Alkoholiker und grobschlächtig im Umgang mit Patienten bekannt, brachte das Faß zum Überlaufen, als bekannt wurde, er würde Verhandlungen über die Umstrukturierung des Hauses in ein Pflegeheim führen. In einer konzertierten Aktion sprachen ihm daraufhin 86 Prozent der Beschäftigten ihr Mißtrauen aus und teilten dieses Ergebnis dem damaligen Stadtbezirksarzt mit.

Die Folge, so die stellvertretende ärztliche Direktorin Roswitha Stark empört: „Der ärztliche Direktor wurde lediglich beurlaubt!“ Daran änderte auch die Entdeckung der Belegschaft nichts, daß der Mann zwei Gefälligkeitsgutachten für ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit ausgestellt haben soll. Zu einer Anzeige kam es erst, als die Beschäftigten die Gutachten dem Runden Tisch übergaben. Ein Verfahren findet nach Informationen der stellvertretenden ärztlichen Direktorin jedoch nicht statt, offizielle Begründung: Es sei „niemand zu Schaden gekommen“. Roswitha Stark: „Da hat ein Genosse den anderen im Schulterschluß gestützt.“

Seit April wird das Haus von zwei Frauen geleitet, neben Roswitha Stark noch von der Oberin Dagmar Weber. Zur Zeit versuchen sie gemeinsam mit den übrigen Ärzten - sechs davon aus West-Berlin - der „Pflegefallabschiebung durch die Charite“ entgegenzutreten: „Die schicken uns ständig Patienten ab 70 Jahre aufwärts, dabei sind wir noch immer ein Akutkrankenhaus zur Grundversorgung und keine Abschiebe für Pflegefälle.“ Mittlerweile hat das Krankenhaus, das als einzige kommunale Klinik in diesem Stadtbezirk neben den etwa 350.000 Einwohnern in Mitte auch noch für einen Teil der Einwohner in Marzahn und Treptow zuständig ist, Kontakte mit Ambulatorien geknüpft, die fortan auch jüngere Patienten einweisen wollen. Wenn das Haus jedoch tatsächlich in ein Pflegeheim verwandelt wird, wollen die meisten der dreißig Schwestern nicht mehr dort arbeiten. Schwester Sabine: „Schon jetzt sind im Durchschnitt 50 Prozent der Patienten pflegebedürftig. Mehr ist bei ein bis zwei Schwestern pro Schicht überhaupt nicht zu leisten.“ Ein Blick auf die Personaltafel auf dem Flur der „Allgemeinen Inneren“ macht's deutlich: Die Hälfte der Schwestern ist krankgemeldet.

Vor allem die Unsicherheit macht den Beschäftigten zu schaffen: Als sie letzte Woche von der Bezirksstadträtin für Gesundheit, Strankfeld, erfahren wollten, wie es nun weitergehe, trafen sie auf verschlossene Türen. Gegenüber der taz ließ die Stadtbezirksrätin erklären, sie sei für die kommunale Klinik nicht zuständig, und verwies auf Gesundheitsstadtrat Zippel. Doch auch bei ihm verlief ein Besuch der Beschäftigten bislang erfolglos. Ende der Woche jedoch soll - „endlich!“ - ein gemeinsamer Gesprächstermin vereinbart werden. Die stellvertretende ärztliche Direktorin Stark sagt dazu: „Es ist wie früher - keiner der Verantwortlichen sagt, was passiert, und wir werden hier am Rande der Mauer vergessen!“

maz