: Der Flug des Speers ist ungewiß
■ Speerwurf-Olympiasiegerin Petra Felke ist bei der EM-Qualifikation in Ingolstadt trotz Verletzung in Form
Ingolstadt (taz) - Es war bereits kurz vor neun. Nur einige Unentwegte waren noch im kleinen Ingolstädter Stadion, um die Speerwerferinnen zu beobachten. Für Kenner war dieser Wettbewerb der eigentliche Höhepunkt der zweiten EM -Qualifikation des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Denn hier schleuderte die absolute Weltklasse ihre Speere in die unaufhaltsam einbrechende Nacht: Das EM-Finale in Split Ende August könnte durchaus identisch besetzt sein.
Petra Felke, die Olympiasiegerin und Weltrekordlerin, stellte sich zu ihrem fünften Versuch bereit. Ihr Anlauf ist der längste aller Konkurrentinnen. Mit kontrolliertem Tempo läuft sie an, wirft den Speer kraftvoll ab - ihr begleitender Schrei hallt aufrüttelnd durch das Stadion. Das 600-Gramm-Gerät landet bei 67,34m.
Petra Felke übernahm damit die Führung. Lange Zeit sah es nicht dannach aus, daß sie wieder dominieren würde. Die ersten Versuche waren gerade mal jenseits der 60 Meter -Marke. Jedesmal humpelte die bald 31jährige Sportstudentin vom SC Motor Jena von der Anlaufbahn und faßte sich an ihr stark bandagiertes linkes Knie. „Ich habe mir im Mai beim Sportfest in Sindelfingen eine Seitenbandzerrung zugezogen“, so Petra Felke, „die mich daran hindert, technisch optimal zu werfen.“
Petra Felke wirft seit 17 Jahren den Speer. Sie hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich, die nur mit den kompromißlosen Bedingungen des DDR-Spitzensports möglich war. Es begann bei der Spartakiade 1975, als sie mit einem sensationellen 50-Meter-Wurf (50,40m) die Altersklasse 15 gewann. Es endete bisher mit dem Olympiasieg in Seoul. Dazwischen lagen vier Weltrekorde. Insbesondere jener am 9. September 1988 in Potsdam mit der Fabelweite von 75,06 Metern. Auch 1990 führt sie trotz ihrer Verletzung einsam die Weltbestenliste mit 73,08 an.
Petra Felke wird jetzt sechs Wochen lang wettkampfabstinent sein, um ihr Knie zu schonen und sich gezielt auf die EM vorzubereiten. Da ihre britische Rivalin Fatima Whitbread wegen einer Rückenoperation in Split nicht dabei sein wird, könnte sie dort nur von ihren Landsfrauen Silke Renk und der erst 19jährigen Karen Forkel, die in Ingolstadt Zweite wurde (65,94m) und eine Bestleistung von 70,12 Meter aufweist, gefährdet werden.
Petra Felke plant im fortgeschrittenen Wettkampfalter nur noch von Jahr zu Jahr: „Wenn ich gesund bleibe und die Dinge drumherum stimmen, würde mich auch noch Barcelona 1992 reizen.“ Erst einmal möchte sie so schnell wie möglich ihr Sportstudium abschließen und dannach auf dem Gebiet der Rehabilitation körperbehinderter Kinder arbeiten. Denn früher oder später wird sie vom Sport nicht mehr leben können.
Schon jetzt gestalten sich die „Dinge drumherum“ äußerst schwierig. Motor Jena werden von Puma und der japanischen Autofirma Subaru unterstützt. 20 Prozent ihrer Preisgelder zahlt Petra Felke in die Vereinskasse und trägt dazu bei, daß der Sportbetrieb aufrechterhalten werden kann. Ihre größte Sorge ist auch, daß es bisher vom DLV keine klare Aussage gibt, ob ihr Trainer Karl Hellmann, der Speerwurf -Erfolgstrainer in der Welt, als Bundestrainer übernommen wird. „Dann züchte ich eben Rosen, betteln kommt nicht in Frage“, meint der 59jährige, der vor Petra Felke die heutige Vorsitzende des Sportausschusses der Volkskammer, Ruth Fuchs (PDS), zu zwei Olympiasiegen und sechs Weltrekorden geführt hat.
Apropos PDS: Petra Felke zeigt auch hier Charakter und bekennt sich ohne Umschweife zu ihrer politischen Überzeugung: „Ich war freiwillig in der SED und bin es auch in der PDS.“
Karl-Wilhelm Götte
Männer: 200 m: 1. Dobeleit (Wattenscheid) 21,04 Sekunden; 2. Klein (Kornwestheim) 21,14; 3. Westhagemann (Dortmund) 21,16, 800 m: 1. Dehmel (Feuerbach) 1:47,19 Minuten (DLV -Jahresbestzeit); 2. Adam (Köln) 1:47,47; 3. Braun (Tuttlingen) 1:47,51, Diskus: 1. Schmidt (Stuttgart) 65,06 m; 2. Hannecker (München) 63,34; 3. Danneberg (Leverkusen) 62,16, 100 m: 1. Görmer 10,49 Sekunden; 2. Matthes (beide DDR) 10,57; 3. Schweisfurth 10,59, 400 m Hürden: 1. Kuzej (CSFR) 50,37 Sekunden; 2. Hense (Dortmund) 50,67, 4x100 m 1. Lauf: 1. DDR (Matthes, Görmer, Heimrath, Schwabe) 39,52; 2. Bundesrepublik (Schütz, Schweisfurth, Klein, Haupt) 39,62, 2. Lauf: 1. Bundesrepublik (Schütz, Westhagemann, Schwab, Haupt) 39,44 (DLV-Jahresbestzeit), Stabhochsprung: 1. Zintl (München) 5,40 m; 2. Schmidt (München) 5,30; 3. Langhammer (DDR) und Pietz (DDR) beide 5,20.
Frauen: 200 m: 1. Krabbe (DDR) 22,50 Sekunden; 2. Drechsler (DDR) 22,62; 3. Knoll (Dortmund) 22,78, 1.500 m: 1. Schwarzbauer (Ingolstadt) 4:15,75 Minuten; 2. Homneac (Leverkusen) 4:15,85; 3. Kallensee (DDR) 4:16,89, Weitsprung: 1. Gerhardt (Gladbeck) 6,41 m; 2. Hübel (DDR) 6,32, Kugelstoß: 1. Kumbernuss (Neubrandenburg) 19,79 m; 2. Storp (Wolfsburg) 19,39; 3. Wiese (Neubrandenburg) 19,07, 400 m: 1. Schersing (DDR) 51,17 Sekunden; 2. Jarnke 51,33; 3. Hesselbart 51,73, 4x100 m - 1. Lauf: 1. Bundesrepublik (Richter, Sarvari, Thomas, Knoll) 43,39, 2. Lauf: 1. DDR (Breuer, Krabbe, Behrendt, Patzwahl) 43,10; 2. Bundesrepublik (Richter, Sarvari, Thomas, Knoll) 43,16 (DLV -Jahresbestzeit), Hochsprung: 1. Henkel (Leverkusen) 1,96 m, Diskus: 1. Wyludda (DDR) 68,82 m; 2. Hellmann (DDR) 65,00; 3. Dietzsch (DDR) 64,04, Speer: 1. Felke (DDR) 67,34 m; 2. Forkel (DDR) 65,94; 3. Renk (DDR) 64,24.
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