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Das St.Jürgen-Asyl

■ Leben und Arbeiten in einer Bremer Irrenanstalt zwischen 1904 und 1934

Als der schlesische Landarzt Friedrich Scholz im Jahre 1868 die Leitung der Bremischen Irrenanstalt übernahm, bot sich ihm ein trostloses Bild. Nach seinem Antrittsbesuch notierte er seinen ersten Eindruck: „Daß man vor einem Krankenhaus stehe, auf den Gedanken wäre gewiß niemand gekommen, jeder würde es für einen Kerker halten.“ Eine erste Inspektion korrigiert diesen Eindruck nicht. „Beim Eintritt befand man sich auf einem langen wüsten Corridor, in den nicht weniger als 14 Thüren mündeten. Da gab es keine Gardinen, keinen Vorhang, kaum ein Rouleaux, die Schlafräume waren nicht geheizt. Im ganzen Haus gab es nur fünf Gasflammen, wobei für die meisten Patienten die lange Nacht schon mit Sonnenuntergang begann.“

Scholz krempelte die Ärmel hoch und revolutioniert die Bremer Psychatrie. Er verbot die Zwangsjacken, schaffte die Tobsuchtszellen ab und humanisierte den Anstaltsalltag. Ein Konflikt mit dem Psycho-Guro Bodelschwingh kostete ihn 1896 seinen Job, doch sein Stil prägte den neuen Kurs in der Psychiatrie.

Nachzulesen sind die Anfänge der Bremischen Reformpsychiatrie in einer Bröschüre, die Gerda Engelbracht und Achim Tischer im Zusammenhang mit der Ausstellung “... ab nach Ellen“ im Museum des Zentralkrankenhauses Ost erarbeitet haben. Auf knapp 70 Seiten untersuchen die beiden Leben und Arbeit in der Bremer Irrenanstalt. Ärzte, Patienten, Pflegepersonal, kurz: „Eine Welt für sich“ aus den ersten dreißig Jahren des Jahrhunderts kommt zu Wort.

Genau 1900 bewilligte die Bremer Bürgerschaft zwei Millionen Mark für den Bau eines neuen

„St.-Jürgen Asyls für Geistes- und Nervenkranke“, der den trostlosen Kerker erweitern soll. Die Anlage im Bremer Dorf Ellen verwirklicht architektonisch die neue Linie: Weg von den tristen, langgezogenen Mehrgeschoßbauten zu einem dezentralen Pavillionsystem in weitläufigen Parkanlagen. Natürliche Behandlungsmethoden werden entwickelt, Hydro-, Licht- und Luftthe

rapie, gesunde Ernährung und Bäder im Freien. Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein. Die ungelernten PflegerInnen leben Seite an Seite mit den Patienten, fast zwölf Stunden dauert ihr Arbeitstag, die Anstalt dürfen sie ohne Erlaubnis des Stationsarztes nicht verlassen.

Der reformatorische Psychiatrieansatz in Ellen wurde dann 1927 mit dem neuen Leiter Karl

Walter unterbrochen. Walter experimentierte bereits vor der Machtergreifung mit Zwangssterilisierungen an PatientInnen, war den Nazis aber noch nicht scharf genug und wurde, ebenso wie viele unliebsame PflegerInnen, 1934 abgesägt. Die Nazis übernahmen in St.Jürgen-Asyl das Ruder. ma

Gerda Engelbracht, Achim Tischer. Das St.Jürgen-Asyl in Bremen, Edition Temmen, 1990, 10 Mar

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