: Wehrdienst verkürzt
■ Rückwirkend: 12 Monate Bund und 15 Monate Ersatzdienst
Bonn (dpa/afp) - Die Wehrdienstzeit wird rückwirkend vom 1. Oktober 1989 an von 15 auf 12 Monate verkürzt. Die Zivildienstdauer wird von 20 auf 15 Monate verringert. Darauf haben sich die Bonner Regierungsparteien in einer Koalitionsrunde unter Leitung von Bundeskanzler Helmut Kohl am Freitag geeinigt. Die am 1. Oktober 1989 einberufenen jungen Männer werden also bereits Ende September die Bundeswehr verlassen können. Die Koalition rechnet damit, daß durch die neue Regelung im Verteidigungsetat annähernd eine Milliarde Mark eingespart werden kann.
Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) sagte, es sollten finanzielle Anreize für diejenigen Wehrpflichtigen geschaffen werden, die freiwillig 15 oder 18 Monate dienen wollen.
Das Gesetz für die verringerte Grundwehrdienstdauer soll so schnell wie möglich verabschiedet werden. Die erste Lesung, so Stoltenberg, sei bereits in der ersten Septemberwoche vorgesehen. Der Haushaltsentwurf sei davon ausgegangen, daß ab 1. Januar 1991 die Bundeswehr um 35.000 Mann verringert sein sollte. Nach der jetzigen Vereinbarung der Koalition werde dies um ein Vierteljahr vorgezogen.
Der Schritt der Bundeswehr werde eine positive Wirkung in Richtung der Wiener Verhandlungen über eine Reduzierung der konventionellen Streitkräftepotentiale haben. Der Umfang der Bundeswehr werde auf 400.000 Mann reduziert. Im Hinblick auf die bevorstehende Verwirklichung der deutschen Einheit brauche die Bundeswehr im nächsten Jahr noch einmal eine neue Planung. Die Frage der Struktur künftiger deutscher Streitkräfte müsse noch eingehend erörtert werden.
Die Koalitionsabgeordneten Otto Hauser (CDU) und Werner Hoyer (FDP) begrüßten in Gesprächen die Entscheidung als „großen Erfolg“. Hauser sagte, „das ist voll und ganz das, was die CDU/CSU-Fraktion wollte“. Die Ausbildung der Soldaten sollte jetzt effizienter gestaltet werden. Die Größe der künftigen deutschen Armee werde unter dem Niveau der heutigen Bundeswehr liegen. Wenn die Bundeswehr die Zahl der Soldaten auf 320.000 senke und 50.000 Mann von der Nationalen Volksarmee übernehme, werde die gesamtdeutsche Streitkraft etwa 370.000 Soldaten umfassen.
Hoyer sprach von einer „wirklich guten Nachricht für die Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden“. Besonders wichtig sei es gewesen, beim Zivildienst den „Drittelautomatismus zu knacken“. In einer Stellungnahme meinte der SPD-Abgeordnete Florian Gerster, wäre die Entscheidung früher getroffen worden, hätte sie ein Signal zum Abbau der Akzeptanzkrise des Wehrdienstes sein können. Die Grünen kritisierten den Beschluß der Koalition und bekräftigten ihre Forderung nach Abschaffung der Bundeswehr. Der Bundesregierung habe der Mut gefehlt, angesichts der weltweiten Entspannung weitreichende Entscheidungen zu treffen, erklärte Verteidigungsexpertin Angelika Beer. Zugleich forderte sie die Angleichung der Zivildienstdauer an die Länge des Wehrdienstes. Es gebe keinen plausiblen Grund, warum Zivildienstleistende drei Monate länger dienen müßten als Wehrpflichtige.
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