: Die Bremer „Aktion Recht auf Leben“
■ Locken mit Erstausstattungen und Wohnungen
Wer sechsmal die fünf wählt, dem antwortet ein freundlicher Engel der Hohentorsgemeinde. Die „Aktion Recht auf Leben“ bekam von der Bundespost die einprägsame Nummer, um das Schlimmste zu verhüten. Das Schlimmste: Eine Abtreibung.
Auf großflächigen Werbetafeln der Deutschen Städtereklame (Stückpreis 150 Mark) und Seitenscheibenaufklebern in Bremer Straßenbahnen (800 Mark) wird die Nummer als Notruf für ungewollt schwanger gewordene Frauen ausgewiesen. Wer anruft,
kann seine Adresse angeben oder wird zum Gespräch in die Gemeinde geladen. Ziel ist, „für das Leben zu beraten“, wie Waltraud Wulff es nennt, die Vorsitzende des Vereins.
Den AbtreibungsgegnerInnen sind „offizielle Beratungsstellen zu institutionell“ (Wulff). Um den Frauen „Beratung und Hilfe im Schwangerschaftskonflikt“ anbieten zu können mit der Perspektive „Helfen statt Abtreiben“ (Eigenwerbung), nehmen die LaienberaterInnen an Seminaren über Gesprächsführung teil, ge
hen auf Fortbildungen und treten schließlich auch öffentlich im Kampf gegen die Abtreibung an: Mit Informationsständen an öffentlichen Plätzen, wo sie einschlägige Broschüren verteilen, bei Podiumsdiskussionen und natürlich von der Kanzel herab.
Seit 1985 systematisiert die „Aktion Recht auf Leben“ ihre Angebote. Von der Erstausstattung bis zur Übernahme bestimmter Behördengänge dienen sich die verschiedenen HelferInnen an. Der Knüller im Care-Paket für verlorene Töchter ist das sogenannte Mutter-Kind-Haus „Bethanien“ in Findorff. Ursprünglich hatten die Lebensschützer dort zwei Appartements gemietet, mittlerweile haben sie das Haus gekauft und können bis zu zehn Frauen mit ihren Kindern beherbergen. Ein zweites Haus in unmittelbarer Nachbarschaft ist im Umbau und soll weiteren Wohnraum schaffen (auf einer Warteliste stehen 25 Frauen).
Das Leben in Bethanien hat gewisse Regeln. Das beginnt mit einem Reinigungsplan, läuft über die regelmäßigen Hausabende, an denen teilzunehmen die Frauen im Mietvertrag verbindlich zugesichert haben, und gipfelt in einem Besuchsverbot nach 23.00 Uhr. Wer will, hat die Möglichkeit, an einer kleinen Andacht teilzunehmen, „in der auch schon mal missionarische Themen zur Sprache gebracht werden“ (Wulff). Die Kinder werden in einer Kindergruppe betreut, die ihren Tag wahlweise mit einem christlichen Lied oder mit einem kleinen Gebet beginnt. Im Herbst werden neben der Erzieherin und der Hausleitung (mit eigener Wohnung im Haus) zwei weitere Kräfte eingestellt: eine Heilerziehungspflegerin und eine zweite Erzieherin.
So etwas geht nicht ohne Geld. 24.000 Mark brauchen die Lebensschützer derzeit pro Monat. Der Kauf der beiden Häuser und
der Kinderkrippe haben eineinhalb Millionen Mark verschlungen. Doch regelmäßige Einnahmen kommen nicht: Alles Geld kommt durch Spenden herein, von der Kollekte bis zum Firmenscheck reicht die Palette der Einnahmen.
Die vier BeraterInnen der Hohentorsgemeinde haben alle Hände voll zu tun. Jede Woche melden sich zwei neue, hilfesuchende Frauen mit Schwangerschaftsproblemen, wobei nicht nur die Frage nach einer Abtreibung gestellt wird, sondern auch Partnerprobleme und Finanzierungsfragen geklärt werden. Das Vereinskonzept, das von nur 17 Mitgliedern getragen wird, findet in der feinen Verästelung der helfenden Gemeindemitglieder seinen Fortsatz. An sie wird die „Langzeitbetreuung“ delegiert, wenn eine Frau sich entschlossen hat, mit Hilfe des Vereins ein Kind zu gebären. Markus Daschne
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