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Eine Zeltstadt für Rucksack-Touristen

■ Am Wochenende wurde Berlins erstes Jugendzeltcamp in Reinickendorf eröffnet / Große Resonanz aus 14 Ländern schon in den ersten Tagen / Bald genauso überfüllt wie Jugendherbergen?

Reinickendorf. Was 1972 anläßlich der Olympiade in München eingerichtet wurde, gibt's seit dem Wochenende auch in Berlin: ein Jugendcamp mit Zelten als Alternative zu den überfüllten und genormten Jugendherbergen. Das auf Initiative des Berliner Jugendclubs entstandene Jugendcamp im Norden Berlins bietet alles für reiselustige Jugendliche: Zelte zu je 20 Plätzen, Sanitäranlagen mit warmen Duschen und einen Kantinenraum, wo das Essen selbst zubereitet werden kann.

Bereits in der ersten Nacht übernachteten hier 50 Personen, in der zweiten sogar 90 Personen aus vierzehn Ländern. Trotz des visafreien Reiseverkehrs in fast ganz Osteuropa waren bisher jedoch kaum Jugendliche aus dem Osten darunter. „Wir finden es hier viel besser als in Jugendherbergen“, so der erste Eindruck des Schweizer Studenten Adrian Zehnder, der mit zwei Freunden auf Interrailtour ist. „In Wien mußten wir die Nacht durchmachen, weil alle Jugendherbergen voll waren.“

Von den Leitern des Camps wird nur das Nötigste organisiert: „Wir wollen die Leute nicht nerven“, so der Projektleiter Christian Sandow. Daher gibt es im Gegensatz zu den Jugendherbergen auch keine Mithilfe der Jugendlichen in einer Küche oder feste Zeiten, wann abends alle in den Zelten sein müssen. Nur morgens müssen die Jugendlichen „aus organisatorischen Gründen“ bis 9.00 Uhr den Platz verlassen, abends können sie sich ab 17.00 Uhr wieder neu anmelden. Maximal drei Nächte hintereinander können die 14- bis 23jährigen auf dem Zeltplatz bleiben. Die Organisatoren wollen damit verhindern, daß sich Jugendliche fest einmieten und reisende Jugendliche auf dem Bahnhof übernachten müssen.

Überrascht war Sandow von der Resonanz schon in den ersten Tagen: „Wir dachten, wir säßen hier in der Anlaufzeit nur mit zwei, drei Gästen.“ Jetzt vermutet er, daß bereits in den nächsten Tagen die 260 Campplätze ausgebucht sind: Bei überfüllten Jugendherbergen, jugendnaher Organisation, 7 DM Übernachtungskosten und Vermittlung u.a. durch das Informationszentrum Berlin und die Bundesbahn bleibt dies kaum aus. Völlige Überfüllung befürchtet Sandow für das nächste Wochenende, wenn am Potsdamer Platz das „The Wall„ -Spektakel läuft.

Für die nächste Sommersaison plant der Jugendclub einen weiteren Zeltplatz: „Vielleicht etwas näher zum Zentrum“, so Sandow. Aber das hängt auch von der Unterstützung des Senats ab, der für das Jugendcamp in Reinickendorf die Zelte und Sanitärcontainer zur Verfügung stellte. Bei guter Resonanz will die Jugendsenatorin Anne Klein die Zeltstadt-Saison nächstes Jahr zumindest früher beginnen lassen.

Rochus Görgen

Die Anmeldung im Jugendcamp ist täglich ab 17 Uhr möglich. Adresse: Ziekowstraße 161 (Ecke Waidmannslusterdamm) in Reinickendorf. Informationen unter 433 86 40.

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