: Verrat und Heuchelei
■ Die Formel 1 hat die Ökologie entdeckt
PRESS-SCHLAG
Über eine Sportart, von der man es am allerwenigsten erwartet hätte, scheint geradezu panikartig ökologisches Problembewußtsein hereingebrochen zu sein: die Formel 1. Ausgerechnet die Herren jener benzinfressenden Blechungeheuer, die bislang als eine der letzten uneinnehmbaren Bastionen des Ungesunden erschienen vollgekritzelt mit Zigarettenreklame, rasende Leitbilder für alle PS-Berauschten und passionierten Schadstoffausstoßer in Ost und West - sorgen sich auf einmal rührend um die malträtierte Umwelt.
Hintergrund der unerwarteten Öko-Kampagne ist der zunehmend erhobene Vorwurf, daß das in der Formel 1 verwendete Spezialbenzin äußerst gesundheitsschädlich sei. Der leistungssteigernde Sprit habe mehr Ähnlichkeit mit Flugbenzin als mit üblichem Kraftstoff, heißt es, ein normales Auto würde mit dem Zeug „keine zehn Meter weit kommen“ (Lotus-Pilot Derek Warwick). Mechaniker klagen über Hautreizungen, Fahrer über brennende Augen, wenn sie hinter den Boliden der Konkurrenz herdüsen und den Duft der großen weiten Autowelt direkt ins Gesicht gepufft bekommen. Vorgeschrieben ist lediglich eine obere Oktangrenze von 102 ROZ und der Kraftstoff darf nur aus Kohlenwasserstoffverbindungen bestehen. Was dem Gebräu zusätzlich beigemengt wird, unterliegt keiner Kontrolle.
Wie die Werbebroschüre eines Katalysatorherstellers lesen sich die eiligen Dementis der betroffenen Marken und Mineralölfirmen. „Sauberes und vor allem bleifreies Benzin“ verwendet McLaren-Honda nach eigenen Angaben, und Renault besteht darauf, daß sein Treibstoff nicht „gefährlicher als handelsüblicher“ sei. Nur Ford glaubt den Beteuerungen nicht so recht und fordert die Sportbehörde FISA vollmäulig auf, dafür zu sorgen, daß „nur umweltfreundlicher Sprit“ verwendet wird. Auf den Verbrauch solle geachtet werden, denn der Grand Prix müsse Vorreiter der Automobilindustrie sein, säuselt Sportchef Kranefuss mit Engelszungen, während sein Konstrukteur Barnard schnell zum springenden Punkt vordringt: unbedingt müsse der Einbau von 300-Liter-Tanks verboten werden.
Ha, heult da die Konkurrenz höhnisch auf, denn sie wittert Verrat und Heuchelei. Die 300-Liter-Tanks würden nämlich die 12-Zylinder-Renner bevorteilen, und wie es der Zufall gerade will, verfügt Ford nur über 8-Zylinder-Motoren. Kranefuss weist solch eine schnöde Unterstellung weit von sich. Seine Motive seien ausschließlich edler Natur, außerdem könne sich ja gut herausstellen, daß sich „trotz der 200-Liter-Tanks und handelsüblichen Benzins der 12-Zylinder als der Motor herausstellt, der beim geringsten Verbrauch die größe Leistung hervorbringt“.
Wie schön! Aber warum eigentlich so kompliziert, meine Herren? Bevor Sie ihre schnuckeligen Blechlieblinge mit Greenpeace-Aufklebern nach Silverstone und Imola schicken und Alain Prost mit dem Sticker „Ich bremse für Tiere“ am Revers hinters Steuer muß, nehmen sie sich doch einfach ein Beispiel an der guten alten DDR. Tempo 100 auf allen Rennstrecken, und das ganze Problem löst sich blitzschnell in reine Luft auf.
Matti
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