: Schutz der C-Waffen vor den Menschen
■ Der Countdown läuft, ab 23.7. rollt die heiße US-Ware über bundesdeutsche Straßen und Schienen. Und immer noch hält es die Bundesregierung nicht für nötig, die Bevölkerung über Transportwege, -zeit und Risiken zu informieren. Der taz liegt die geheime Vereinbarung zwischen den USA und Bonn über die „Operation Lindwurm“ vor, die die Behauptung Bonns widerlegt, man müsse sich dem US-Diktat beugen.
Geheimpapier belegt bundesdeutsche Zuständigkeit für C -Waffenabzug
Der Countdown läuft“, so Angelika Beer, sicherheitspolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen, gestern zum umstrittenen Abzug der amerikanischen C-Waffen aus Rheinland-Pfalz. Die Bundeswehr-Krankenhäuser zwischen München und Kiel seien bereits in Alarmbereitschaft versetzt worden. Am 23. Juli soll der erste Transport mit den hochgiftigen Stoffen vom Depot Clausen in der Pfalz zum Zwischenlager nach Miesau bei Kaiserslautern rollen.
Jahrelang hatten die Grünen gemeinsam mit der Friedensbewegung für die Vernichtung der Chemiewaffen gekämpft. Jetzt klagen sie zusammen mit einer Anwohnergruppe gegen den geplanten Abzug. Der Grund: Die Sicherheitsvorkehrungen seien „völlig unzureichend“, alle, die an der Transportstrecke wohnten, „massiv gefährdet“ durch die „Desinformationspolitik“ Bonns. Die Grünen wollen nun mit einem Antrag auf „einstweilige Anordnung“ beim Verwaltungsgericht Köln den Abzug stoppen.
In diesem Antrag werfen die Grünen der Bundesregierung vor, gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zu verstoßen. Rechtsanwalt Günter Urbanczyk erläuterte gestern in Bonn, der erforderliche „größtmögliche Schutz“ der Bevölkerung sei bei dem geplanten Abtransport nicht gewährleistet.
In den USA gebe es genaue Untersuchungen darüber, welche Behälter für den Transport von C-Waffen geeignet seien, berichtete Urbanczyk. Dennoch würde das Gift in völlig unsicheren Containern transportiert. Eine Gefahr bestehe auch darin, daß die Stoffe in Miesau wochenlang unter freiem Himmel gelagert werden sollen. „Nicht auszudenken“, so Angelika Beer, was passieren würde, „wenn ein Kampfflieger beim Anflug auf den nahegelegenen Flughafen Ramstein auf das Depot stürzt“.
Voraussichtlich starten die ersten 70 Laster am kommenden Montag vom Depot Clausen in der Pfalz nach Miesau. 30 Tage lang fahren dann Konvois über die A8 oder die A62 nach Hessen. Von dort aus sollen die Giftgas-Tonnen dann per Bahn entweder über Mainz oder über Frankfurt nach Bremerhaven geschafft werden. Im Hafen Nordenham werden die Chemiewaffen Richtung Pazifik-Inseln verschifft. Dort sollen sie dann verbrannt werden. Auch hier geht die Kritik der Grünen an der Bonner Maxime „Schnelligkeit vor Sicherheit“ weiter. Die politische Verantwortung reiche eben nicht nur bis zum Midgard-Hafen. Auf „globale Probleme müssen globale Antworten gegeben werden“, so Angelika Beer, anstatt bei einem „Giftmüllimperialismus“ nach dem „St. Floriansprinzip“ mitzumachen. Immer noch habe der US-Verbrennungsofen auf dem pazifischen Johnston-Atoll nicht einmal eine ausreichende Verbrennungs-Probephase hinter sich (siehe taz vom 26.6). Die Bewohner der umliegenden Inseln wollen nun auch gerichtlich gegen die Giftgasverbrennung vorgehen.
Tina Stadlmeyer
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