Deserteure und Wehrpflicht

■ Aktivisten gegen die Berliner Wehrpflicht: Neuer Verein, neue Kampagne und Widerstandstagung am 20./21.Juli

ANTI-WEHRPFLICHT-BEWEGUNG

West-Berlin. Die Vereinsmeierei, hier sollte sie ausnahmsweise einmal erlaubt und allerheftigst begrüßt sein. Denn an diesem Samstag wird sich in West-Berlin - dem ehemaligen entmilitarisierten Mekka der Kriegsdienstverweigerer und Deserteure - ein Verein gegen die Wehrpflicht gründen. Dazu wird es auch höchste Zeit, droht doch die inzwischen ausgemachte Einführung der Wehrpflicht in West-Berlin lautlos ins Sommerloch zu fallen. Wohl auch deshalb wurde ein „historischer“ Jubiläumstermin gewählt: Am 21. Juli 1956 trat das Wehrpflichtgesetz für die Bundesrepublik in Kraft. Gegründet wird der antimilitaristische Verein, der nicht in Konkurrenz zu bereits etablierten Organisatio nen stehen soll, ab 16 Uhr in der Badenschen Straße 29, Berlin 31.

Morgen, am Widerstandsgedenktag zum 20. Juli 1944, versammelt sich, ebenfalls in der Badenschen Straße um 19 Uhr ein Komitee für eine Kampagne gegen die Wehrpflicht zur ersten Sitzung. Als Unterstützer dabei: die Humanistische Union und die Umweltbibliothek. Geplant wer den sollen Informationsaktionen, Hearings, Medienkampagnen und künstlerische Veranstaltungen gegen die allgemeine Wehrpflicht und im besonderen in Ber lin.

Morgen beginnt auch das Jahrestreffen der „War Resisters International“, des weltweiten Dachverbands der KriegsdienstgegnerInnen, in dem sich 58 Pazi-Organisationen aus 25 Ländern zusammengeschlossen haben. Zuerst, von Freitag bis Samstag, das Frauentreffen im Martin-Niemöller -Haus, dann von Sonntag bis Donnerstag die Ratstagung im Schloß Glienicke. Begleitet wird das Jahrestreffen von einer Ghandi- Ausstellung im Antikriegsmuseum in der Genter Straße 9 im Wed ding.

Auch die Evangelische Akademie Berlin (West) hat sich den 20.Juli ausgesucht für eine Deserteurstagung: Gehören Deserteure zum Widerstand?, wird drei Tage lang gefragt (Ort: Am Kleinen Wannsee 20, Berlin 37; Informationen unter Tel.: 3191262). Über die Rolle der von den Nazis als „Wehrkraftzersetzer“ diffamierten und zu Tausenden hingerichteten Fahnenflüchtigen diskutieren unter anderen: der Historiker Norbert Haase von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Franz J. Müller von der Stiftung Weiße Rose und der kanadische Soziologieprofessor Gottfried Paasche, der über Deserteure des Vietnamkriegs geforscht hat.

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