: Paradiesisches Tierleben?
■ betr.: "Karl Wegmanns Meisterwerk: "Selen-Recycling: Ein Leben als Schwein", taz vom 10.7.90
betr.: Karl Wegmanns Meisterwerk: „Seelen-Recycling: Ein Leben als Schwein“, taz vom 10.7.90
(...) Da ist schon ein Genie am Werk gewesen - muß man neidlos sagen - und ein solches verdient konkrete Unterstützung.
So schlage ich dann vor, beim Großen Reinkarnationssachbearbeiter einen Antrag zu stellen für den Karl Wegmann, daß selbiger tatsächlich in seinem nächsten Leben etwa als Katze wiedergeboren wird: vielleicht wäre ihm da ein Forschungsinstitut für Neurologie in einer unserer ehrenwerten bundesdeutschen Universitäten genehm? Gutes Futter, Heizung, todschicker Käfig, Beleuchtung, neueste High-Tech-Bändigungsapparaturen und die Ehre, einen unserer eminenten Wissenschaftler live und ohne Bewußtseinsbeeinträchtigung am eigenen Leibe zu spüren.
Bei etwas weniger hochgeschraubten Ansprüchen darf es vielleicht auch nur ein x-beliebiges Tierheim sein - oder wäre Herr Wegmann gerne Katzenbaby in einem unbewachten Kinderzimmer?
Schade, daß der Karl Wegmann Schäferhunde nicht leiden mag, die leben auch hinreißende Karrieren bei Polizei, Militär, Zoll und ähnlichen Humaneinrichtungen - aber auch als Stück Besitz eines in Macht und Power vernarrten Privatlings läßt es sich für einen Schäferhund gut leben.
Aber gut, der Wegmann möchte lieber Schwein sein. Und bei der Armee obendrein. Wenn er also Schwein sein wird, so stelle er sich nur vor ein Kasernentor und sage das Losungswort „Wehrmedizin“ und die Pforten zum Schweineparadies werden sich ihm problemlos öffnen.
Bei der Armee geht es den Schweinen gut. Selbst gewisse Vergleiche zum Menschen sind nicht unangebracht: So nennt der Wehrmedizinforscher das Schwein Frontschwein, wie ehemals die hübscheren KZ-Insassinnen zur Fronthure befördert wurden. Auch genießt das Frontschwein das Privileg, als Avant-Garde die neuesten Waffen und deren Auswirkungen am eigenen Körper zu kosten.
Sollte sich Karl Wegmann zur Abwechslung jedoch einmal für eine der beiden ersten Hs - welche da sind Herz, Hirn und Hintern - menschlicher Kreativitätsmöglichkeiten entscheiden, so könnte ich mir vorstellen, daß er vielleicht doch lieber als Onassis, als Krupp, als Boris, als Nobelpreisträger, als Journalist sogar wieder unter uns anderen Wohlstandsmenschen weilen möchte.
Dann könnte er obendrein das so glühend beneidete Schwein verspeisen. Natürlich erst nachdem dieses ein fröhliches Dasein mit vielen anderen netten Schweinekollegen in der Massenzucht gelebt hätten, nachdem es eine lustige, gesellige Reise im Lebendtransport bis zum Industrieschlachthof hätte genießen dürfen. Und sollten ihm die Beine während des Transportes gebrochen sein, so dürfte es - das Schwein - noch über eine lange Rutsche direkt bis in den Tod gleiten.
Hut ab, vor solchen Mitarbeitern. (...)
Ulla Vigneron, Saarbrücken/BRD
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