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Nelson Mandela ist zurück aus der Welt

■ Nach seiner triumphalen Weltreise landete Nelson Mandela gestern wieder auf dem südafrikanischen Boden der Realität / Verhandlungen mit Regierung im Stocken / Übergriffe der Polizei nehmen zu / Parteien und Organisationen im Neuaufbau

Aus Johannesburg Hans Brandt

Am selben Flughafen hatte Ende Mai Präsident Frederick de Klerk mit Tränen in den Augen der südafrikanischen Nationalhymne gelauscht, nachdem auch er von einem Triumphzug durch Europa zurückkehrte. Das gestern von seiner Weltreise zurückgekehrte, umjubelte Geburtstagskind Mandela hat die de Klerk-Tour deutlich in den Schatten gestellt. International hat sich die Position des ANC behauptet. Doch jetzt gilt es für Mandela, dem Verhandlungsprozeß in Südafrika wieder neuen Schub zu geben. Mandelas Reise war ein Riesenerfolg - für ihn persönlich wie auch den ANC. In den USA wurde er als Held der schwarzen US-Amerikaner gefeiert und durfte vor dem Kongreß eine Ansprache halten. Nach einem Gespräch mit Präsident George Bush zeigte sich, daß der ANC trotz andauernder Differenzen mit der US -Regierung nun auch in Washington hoffähig geworden ist. Nicht zuletzt war der US-Besuch auch ein finanzieller Erfolg für den ANC - sieben Millionen Dollar bringt Mandela für den dringend notwendigen Aufbau von ANC-Strukturen in Südafrika mit.

Ähnlich verliefen die Kontakte mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher. Noch 1987 hatte Thatcher den ANC eine terroristische Organisation genannt, mit der sie nie sprechen würde. Nach einem langen Gespräch mit Mandela war aber eine deutliche Annährung zu spüren. „Mit dieser Frau kann ich Geschäfte machen“, sagte Mandela hinterher.

Westliche Regierungen haben erkannt, daß der ANC in Zukunft in Südafrika eine entscheidende Rolle spielen wird. So ist auch die Aufforderung des ANC, Sanktionen gegen Südafrika vorläufig aufrechtzuerhalten, international akzeptiert worden. Im Laufe der Mandela-Reise konnte die EG sich trotz des Drucks von Thatcher und anderen nicht zu einer Lockerung von Sanktionen durchringen. Und auch die USA werden ihre Maßnahmen vorläufig beibehalten. Damit hat Mandela erfolgreich das Ziel der de Klerk-Reise vereitelt.

In Südafrika selbst ist der Verhandlungsprozeß allerdings während der Abwesenheit Mandelas ins Stocken gekommen. Das Abkommen zwischen Regierung und ANC von Anfang Mai sah eine schnelle Übereinkunft über die Freilassung politischer Gefangener und die Rückkehr von Südafrikanern aus dem Exil vor. Trotz wiederholter Treffen einer gemeinsamen Arbeitsgruppe ist ein solches Abkommen noch nicht erzielt worden. Offensichtlich ist ein baldiges Treffen zwischen de Klerk und Mandela nötig, um aus der Sackgasse herauszukommen.

Eine immer größere Rolle spielt die Frage der politischen Gewalt, sowohl am Verhandlungstisch als auch im Land selbst. Mit Dutzenden von Anschlägen in den letzten Wochen haben weiße Extremisten auf ihren Widerstand gegen die Reformen aufmerksam gemacht. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, daß Sympathisanten der Ultrarechten in Militär und Polizei den militanten Rassisten Waffen zugespielt haben.

Zudem macht der ANC sich Sorgen um anhaltende Polizeibrutalität im Umgang mit friedlichen Demonstranten. Bei Protesten in der Nähe von Kapstadt gegen die Trennung öffentlicher Einrichtungen wurden Demonstranten erschossen. In Mamelodi bei Pretoria gab es mehr als 200 Verletzte, als eine friedliche Versammlung in einem Stadion mit Tränengas aufgelöst wurde. Und Dutzende von ANC-Mitgliedern sind in den letzten Wochen festgenommen wurden, die ohne Gerichtsverfahren hinter Gittern sitzen.

Die Regierung zögert andererseits, politische Gefangene freizulassen oder Opponenten aus dem Exil zurückkehren zu lassen, ohne daß der ANC formal den bewaffneten Kampf aufgegeben hat. Sonst, so heißt es, könnten die Freigelassenen sich sofort wieder an Anschlägen beteiligen. Mandela hat auf seiner Reise zwar mehrmals angedeutet, daß es vor Ende des Jahres zu einer vorläufigen Waffenruhe kommen könnte. Aber welche Voraussetzungen dafür erfüllt werden müssen, bleibt unklar.

Hinter den ständigen Verzögerungen steckt aber auch die organisatorische Misere des ANC. Die Organisation hat große Probleme, in kürzester Zeit zuverlässige offene Strukturen innerhalb Südafrikas aufzubauen. Es mangelt an Geld und Büros. Zudem besteht noch keine Einigkeit über die genaue Zusammensetzung einzelner Strukturen, und die Beziehungen zu bestehenden Organisationen wie der Vereinigten Demokratischen Front (UDF) oder den Gewerkschaften bleiben ungeklärt, die zu Recht nicht in der Hierarchie des ANC aufgehen wollen. Der Aktionsspielraum der Basisgruppen ist stark eingeschränkt worden, weil niemand den Verhandlungsprozeß in Gefahr bringen will. Dabei plant der ANC schon am 16.Dezember eine richtungsweisende Nationalkonferenz.

Auch andere politische Gruppen befinden sich in einem Prozeß der Umstrukturierung. Die südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) etwa wird am 29.Juli mit einer großen Versammlung in Soweto erstmals wieder öffentlich in Erscheinung treten. Trotz der bisherigen engen Zusammenarbeit mit dem ANC gibt es Andeutungen, daß die Kommunisten in Zukunft unabhängiger auftreten werden. Die Zulu-Organisation Inkatha hat sich am vergangenen Wochenende als politische, für alle Ethnien offene Partei konstitutiert. Inkatha-Führer Mangosuthu Buthelezi will dafür sorgen, daß seine Organisation auf nationaler Ebene von Bedeutung bleibt und nicht als regionale, auf einen Stamm beschränkte Splittergruppe abgetan wird. Die liberale Demokratische Partei (DP) befindet sich indessen in der Krise. Ihre Politik ist zu großen Teilen von de Klerk und seiner Nationalen Partei (NP) übernommen worden. Die DP findet es immer schwieriger, Profil und Wähler zu halten. In dieser Situation politischer und organisatorischer Unsicherheit droht der Verhandlungsprozeß vollkommen zu versanden. Mandela mag zwar nach seiner anstrengenden Reise Ruhe benötigen. Aber die wird dem vom Mythos zum Pragmatiker gewachsenen Politiker einfach nicht gegönnt.

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