: Muß der Staat selbst mit Zement, Holz und Steinen handeln?
■ Bausenator Wolfgang Nagel zur Explosion der Baukosten im Raum Berlin / Welcher Weg aus der Wohnungsnot ist der richtige: Noch mehr Neubauförderung - oder verstärkte Altbausanierung? / Nagel: Immer mehr öffentliche Förderung, das ist nicht mehr zu bezahlen
INTERVIEW
taz: Herr Nagel, die Baukosten in Berlin explodieren, vor allem im sozialen Wohnungsbau. Für das Geld, das noch 1989 für 4.000 Wohnungen gedacht war, kann man nach heutigen Preisen nur noch 2.700 Sozialwohnungen bauen. Woran liegt das?
Wolfgang Nagel: Das ist ein großes Problem. Der Bauhaushalt des nächsten Jahres ist um mehr als 20 Prozent aufgestockt worden, aber das wird durch die Baukostensteigerungen aufgefressen, die eher noch zunehmen werden. Dazu kommt das hohe Zinsniveau. Die Baukosten zu senken, das ist ganz schwer. Da haben wir gerade das Bundeskartellamt eingeschaltet und überlegen uns ernsthaft, ob wir nicht einen staatlichen Baustoffhandel aufziehen, und zwar über die landeseigene BeHaLa. Die kann eine Tochtergesellschaft gründen, und dann muß man den Privaten Konkurrenz machen. Bei den Zinsen haben wir keinen Einfluß, nur indirekt: Wir haben im Senat erreicht, daß die Anzahl der Wohnungen, die über Baudarlehen des Landes Berlin gefördert werden, von 750 auf 1.000 Wohnungen gesteigert wird. Bei denen haben sie diese hohen Kapitalmarktzinsen nicht.
Es wurde schon vorgeschlagen, vorübergehend weniger zu bauen, um langfristig die Preise zu drücken.
Das Wohnungsproblem ist das Problem Nummer eins, da kann man nicht weniger bauen. Das hält man politisch nicht durch. Außerdem haben wir überall einen Boom, auch beim Gewerbebau, die paar tausend Sozialwohnungen machen für das Gesamtpreisniveau nichts aus.
Der baupolitische Sprecher Ihrer Partei, Otto Edel, hat neulich erklärt, es würden 20 bis 30 Prozent der bewilligten Wohnungen gar nicht erst angefangen, weil die Kosten so gestiegen seien.
Nein, das liegt an den fehlenden Baugenehmigungen. Die Finanzierungsprobleme kommen erst noch, vor allem bei den städtischen Gesellschaften. Wir jedenfalls wollen die 8.000 Wohnungen bauen, die wir versprochen haben, und wenn das Geld nicht reicht, brauchen wir mehr Mittel. Und bisher haben wir die ja auch vom Parlament bekommen.
Aber Sie müssen doch auch die Kosten dämpfen.
Das wollen wir auch. Alle, die mit öffentlichen Geldern bauen, müssen jetzt jede einzelne Baumaßnahme öffentlich ausschreiben, im Bundesgebiet und in der DDR. Aber weil dort auch alle Baufirmen ausgelastet sind, muß man womöglich ein rechtliches Instrumentarium finden, in stärkerem Maße Bauunternehmen aus Polen hier arbeiten zu lassen.
Auch im Altbau fehlt Geld. Seit Monaten rennen Ihnen Mieterorganisationen und Bezirke die Türen ein, weil die Mittel für die Altbausanierung von 340 auf 320 Millionen DM gekürzt worden sind.
Die CDU hat ja vorher die Stadterneuerungsmittel in der mittelfristigen Finanzplanung stark zurückgefahren, vor allem in den rot-grünen Bezirken. Wir haben das fast auf dem gleichen Niveau gehalten, was schwierig war. Der Finanzsenator hat mir für 1991 250 Millionen DM angeboten, ich wollte 340, und wir haben uns im Senat auf 300 Millionen DM geeinigt; und ich hoffe, daß der Hauptausschuß noch mal mindestens 20 bis 30 Millionen draufpackt. Aber die würden woanders eingespart. Dazu kommt, daß der Haushalt nach den Gesamtberliner Wahlen ohnehin überarbeitet werden muß.
Wie wird dieses Geld denn innerhalb der Bezirke verteilt?
Kreuzberg hat dieses Jahr 81 Millionen für die umfassende Modernisierung, nächstes Jahr werden es noch 50 Millionen sein und 1993 noch 39 Millionen. Tiergarten und Neukölln, das sind künftig Schwerpunkte der Stadterneuerung. Tiergarten wird nächstes Jahr 23 Millionen bekommen und danach 27 Millionen. Und Neukölln erhält mittelfristig auch 39 Millionen. Aber es gibt Bezirke, die bekommen fast gar nichts mehr, Spandau etwa oder Reinickendorf, Steglitz, die jaulen natürlich auf.
Das ist Ihre Planung auf der Grundlage von 340 Millionen. Wo kürzen Sie denn, wenn Sie die nicht kriegen, sondern nur 300 Millionen?
Die Bezirke, die fast nichts bekommen, da kann man nicht kürzen, die Schwerpunkte der Stadterneuerung auch nicht. Daß Kreuzberg noch weniger bekommt, ist schwierig, die wurden ja schon stark zusammengestrichen, aber Kreuzberg kriegt in keinem Fall mehr...
Da rennen Sie bei mir offene Türen ein...
Dann haben wir noch den Topf „Ökologische Maßnahmen“: Energiesparen, Bleirohre auswechseln, Lärmschutzfenster; den darf ein rot-grüner Senat auch nicht kürzen. Auch Mietermodernisierung ist ein rot-grünes Musterprojekt. Und Beschäftigungsmaßnahmen im Baubereich zu kürzen...
...das geht natürlich überhaupt nicht.
Ja - und dann haben wir noch eine Reserve von 10 Millionen, etwa wenn ein besetztes Haus sofort gemacht werden muß, die brauchen wir auch.
Jetzt weiß ich, wo Sie nicht kürzen können - aber wo kürzen Sie dann?
Bei den Bezirken geht es nicht, also muß man bei allen anderen Sachen ein bißchen streichen: beim Energiesparen, bei der Mietermodernisierung und auch bei der Sanierung der Siedlungen der zwanziger und dreißiger Jahre.
Dazu kommt ja das Problem, daß die Modernisierungskosten pro Wohnung immer höher werden. Kann das Land sich das auf Dauer noch leisten?
Nein. Eine Wohnungssanierung kostete jetzt 140.000 DM, kalkuliert sind 90.000 DM. Wir haben die BSM und S.T.E.R.N. gebeten, Einsparungsvorschläge zu machen, aber die kommen nicht voran.
Es ist schon oft vorgeschlagen worden, den Anteil der Sanierungskosten des Eigentümers zu erhöhen. Was halten Sie davon?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Dann würden womöglich viele Eigentümer abspringen und privat modernisieren, denn da sind die Mieten ja viel höher. Vor allem, wenn sie erst mal mitkriegen, daß sich seit dem 9. November die Mieten so entwickeln werden, daß es günstiger ist, keine öffentliche Förderung in Anspruch zu nehmen.
Aber die Programme sind doch auf Jahre ausgebucht.
Das ist der Boom der letzten Jahre, die Vorarbeit der Mieterberatungsgesellschaften. Und da bin ich mir nicht sicher, ob das in zwei, drei Jahren in Bezirken wie Kreuzberg oder Wedding, die dann ja Citybezirke sind, so bleibt.
Man könnte auch die Miete im öffentlich geförderten Altbau nach dem Einkommen staffeln, vielleicht analog zum sozialen Wohnungsbau mit einer Fehlbelegungsabgabe.
Davon halte ich gar nichts. Wir haben jetzt schon eine solche Apparatur von Bürokratie, die wird noch größer.
Das muß doch nicht kompliziert sein, da kann man eine Miete für Leute machen, die über den Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus liegt, und eine für die drunter.
Na gut, aber das ist der Einstieg in die Subjektförderung, der Förderung des einzelnen Mieters und nicht der Wohnung.
Die Grenze für einen Wohnberechtigungsschein liegt bei einem Alleinstehenden bei 26.000 DM brutto im Jahr. So jemand kann wirklich 300 DM Miete im Monat zahlen statt 150 oder 200 DM.
Dann können Sie es doch gleich für alle höhersetzen und dann eventuell Wohngeld bezahlen, das ist dasselbe.
Man könnte auch in bestimmten Gebieten die Mittel anders einsetzen, etwa in der Lehrter Straße in Tiergarten alle Dächer machen und nicht einzelne Häuser sanieren.
Das ist eine Frage der Akzeptanz, womöglich werden dann die Mieter sagen: Wir in Tiergarten sind offensichtlich nicht soviel wert wie in Kreuzberg, deshalb kriegen wir nur ein paar Mark für die Dachrinnen. Das geht in Ost-Berlin, aber nur wegen der Massen von Häusern, die das betrifft, wo jetzt ganz schnell Schaden verhütet werden muß. Und wenn bei der privaten Modernisierung die Kosten davonlaufen, muß man die übers Mietrecht in den Griff kriegen. Mit immer mehr öffentlicher Förderung zu arbeiten, das ist nicht mehr zu bezahlen.
Interview: Eva Schweitzer
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