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De Maiziere beharrt auf getrennten Wahlen

■ Sondersitzung des Koalitionsausschusses der DDR-Regierung soll einen Kompromiß finden

Bonn (dpa) - Trotz der massiven Kritik der DDR-Liberalen und der DDR-SPD hält Ministerpräsident de Maiziere (CDU) an seinem Vorschlag für getrennte Wahlen zum gesamtdeutschen Parlament am 2. Dezember fest. Noch vor der entscheidenden Sondersitzung des Koalitionsausschusses der DDR-Regierung am Donnerstag abend, in der ein Kompromiß für die unterschiedlichen Vorstellungen zum Wahlmodus und zum Beitrittstermin gesucht werden soll, beharrte der CDU-Chef auch auf einer Vereinigung beider deutscher Staaten erst nach der Wahl. „Wir würden unser Gewicht als Verhandlungspartner im Einigungsprozeß verlieren“, erklärte de Maiziere vor der CDU/DA-Fraktion der Volkskammer. Es müsse das Anliegen der DDR sein, „im Einigungsvertrag eine Fülle von Dingen so zu regeln, daß ihre Stabilität gesichert ist und nicht durch zukünftige parlamentarische Mehrheiten revidiert werden kann“. Das gelte „vor allem für die noch offenen Fragen der erforderlichen Änderung des Grundgesetzes. Das betrifft nicht zuletzt aber auch die Eigentumsproblematik.“

De Maiziere begründete seinen Zeitplan zudem in einem Interview damit, daß bei einem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik vor der Wahl die Situation entstände, „daß 16 Millionen Deutsche von einer Regierung geführt würden, die kein einziger von ihnen durch Wahl legitimiert hat“. Die Volkskammer war am Donnerstag morgen in Ost-Berlin ohne einen angekündigten Antrag der liberalen Fraktion zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik auf der Tagesordnung zusammengetreten. Die Liberalen hatten diesen Antrag, mit dem sie den Beitritt zum 1. Dezember erklären wollen, dem Präsidium der Volkskammer vorgelegt. Wulf Oehme zufolge, Sprecher der Liberalen, beruhte die Ablehnung des Antrages im Präsidium auf einer „recht seltsamen Koalition zwischen DSU, CDU und PDS“. Die Präsidiumssitzung sei am Mittwoch abend auf Wunsch der Liberalen unterbrochen worden, um eine Koalitionsrunde zusammentreten zu lassen. Es sei vereinbart worden, den Donnerstag noch einmal zum „Nachdenken“ über eine Beitrittserklärung zu nutzen.

Die Liberalen würden ihren Antrag jedoch auf jeden Fall am Freitag einbringen. Die Koalitionsfrage stelle sich für sie zur Zeit nicht. Die Beitrittserklärung sei für sie aber weiterhin eine „existentielle Frage“.

Bundesinnenminister Schäuble gab inzwischen zu bedenken, wenn die DDR-Regierung bis Ende des Monats nicht zu einer Einigung über das Wahlrecht und den Beitrittstermin komme, müsse das erste gesamtdeutsche Parlament automatisch in getrennten Wahlen zustande kommen. Der Vorsitzende der westdeutschen FDP, Lambsdorff, warnte davor, in dieser Frage auf Zeit zu spielen. Dies wäre ein „sehr unerfreulicher Versuch“.

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