: Mein Markt in Anführungszeichen
■ Zum heutigen 100. Kajenmarkt ein Gespräch mit Marita Zimmer, Marktmeisterin
Marita Zimmer ist das, was man eine patent resolute Person nennen könnte. Eine, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht; gewohnt, aufzutreten, ohne Wind zu machen. Wir treffen uns im Ambiente - „ich Brille“, „ich schwarzer Overall“. Sie weiß sofort, was sie will, logo: einen frischgepreßten Orangensaft bitte. Das nennt man wahrscheinlich natürliche Autorität, daß ich sofort das gleiche bestelle. Seit einem Jahr ist Marita Zimmer Marktmeisterin auf dem Kajenmarkt, das heißt u.a. jeden Samstag um halb vier aufstehen.
War das mit der Marktmeisterin geplant?
Ich hab Sozialpädagogik studiert, das hat damit eigentlich nicht soviel zu tun.
Oder doch?
Vielleicht, daß ich da viel mit Menschen zu tun habe, das heißt mit sehr unterschiedlichen Menschen zurechtkommen muß.
Du bist 33 und weiblich und mußt mit, ich sag‘ mal, eher bur
schikosen älteren Männern zurechtkommen.
Das stimmt. Einerseits hab‘ ich es sicher leichter als Männer: wenn alles einigermaßen friedlich läuft und mann mich auf 'ner witzigen Ebene auch mal in den Arm nehmen kann. Das Problem ist, daß ich einen Job habe, wo ich auch nein sagen muß. Und da kriegen manche große Probleme mit.
Was sind das für Neins?
Zu sagen: du bekommst hier den Standplatz und nicht da. Oder: Meine Marktschreier auf meinem Markt, auf meinem in Anführungszeichen, arbeiten ohne Verstärkeranlage. Das war früher anders. Ich hab‘ mir das also zwei Monate angekuckt und gemerkt, daß man das mit Vernunft nicht regeln kann: der eine wird laut, der andere wird lauter. Gut, hab‘ ich gesagt, dann eben gar nicht mehr.
Aufstand!
Da sind sie natürlich beleidigt. Bei einem Mann könnten sie es wohl leichter wegstecken.
Schütten Dir manchmal welche ihr Herz aus?
Es ist schon vorgekommen, doch. Das würden sie bei 'nem Mann wohl auch nicht machen. Brauchen halt 'ne Mami.
Ist diese Arbeit zu Dir oder bist Du zur Arbeit gekommen?
Ich hab schon während meines Studiums auf dem Großmarkt nebenher gearbeitet, der Kajenmarkt gehört ja zum Großmarkt. Letztes Jahr hab‘ ich auf dem Kajenmarkt zum Beispiel die Nachtwache gemacht ...
Oha.
Jo, ich hatte einen Schäferhund dabei, kein Problem. Naja, und
im November hab‘ ich dann die feste Stelle bekommen.
Was macht eine Marktmeisterin eigentlich?
Zum Beispiel teile ich u.a. die Standorte zu. Dann suche ich auch neue Händler. Bei der Unifrauenwoche habe ich Kunsthandwerkerinnen angesprochen, und die haben sich überlegt: Wenn das jetzt 'ne Frau macht, dann sollten wir da doch mal hinkommen. Ich versuche auch, multikulturelle Veranstaltungen zu machen, weil: fremdländische Kultur ist ein relativ einfaches Mittel, um sich zu begegnen.
Heute also der 100. Kajenmarkt. Was gibt's dazu?
Viel, 'ne Menge Bands, Marktschreier, Kunsthandwerkerinnen, denen man bei der Arbeit zusehen kann, es gibt eine Kinderreitbahn mit Eselkutsche, einen Zauberer, ein riesiges Luftkissen, das Spielmobil, Frau Schreiber, die CDU -Abgeordnete, schminkt kostenlos Kinder.
Was reizt Dich eigentlich an dem Job?
Eben die vielen verschiedenen Menschen, und daß es nie das gleiche ist. Außerdem mag ich Reisende und kenne mich in dem Bereich aus, weil ich lange mit Sinti und Roma gearbeitet habe, den Verein hier in Bremen mitbegründet habe. Da hab‘ ich gelernt, was es bedeutet, als Händler mit Reisegewerbeschein unterwegs zu sein, der zum Beispiel nicht auf einen Campingplatz darf, überhaupt kaum noch Platz findet. Ich hab‘ auch drei Jahre im Wohnwagen gelebt. Es gibt ein Erlebnis, wo ich viel begriffen habe. Als ich mit einem anderen Roma-Pärchen gereist bin und wir einen
Platz gesucht haben: du hast kein Geld mehr, bist mit dem letzten Benzin auf einen Platz gekommen, bist todmüde. Wir wolltten dann an einer Tankstelle Wasser holen, und da war so ein 18jähriger Junge, der hat uns kein Wasser gegeben. Diese Situation war so menschenverachtend, daß ich viel von dem Leben dieser Menschen begriffen habe.
Gespräch: clak
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