Der lange Aufstand der Mohawks in Kanada

■ Im Streit um einen Golfplatz will die kanadische Bundesregierung zwar schlichten, der Konflikt reicht aber tiefer

Berlin (taz) - Die kanadische Bundesregierung hat offenbar begriffen, wie hochexplosiv die Situation ist und hat militanten Mohawk-Indianern, die seit über neun Tagen mit Waffengewalt eine Brücke vor Montreal blockieren, ein Angebot gemacht. Die Zentralregierung, so gestern der Minister für Indianer-Angelegenheiten der Provinz Quebec, John Ciaccia, werde ein von den Indianern reklamiertes Stück Land erwerben, auf dem die Gemeinde Oka, 18 Meilen vor Montreal, ihren Golfplatz ausweiten wollte.

Der viermonatige Disput um die Rechte an dem Boden, auf dem Ahnen des Mohawk-Stammes begraben sind, war letzte Woche eskaliert, als bei einem Schußwechsel zwischen zweihundert bewaffneten, meist jugendlichen Mohawks der 1971 gegründeten „Krieger-Gesellschaft“ in Oka ein Polizist erschossen wurde. Nach einem Bericht der 'Washington Post‘ von gestern wollen die Indianer erst dann mit der Bundesregierung in Verhandlung über das Land treten, wenn die Blockierer unbehelligt abziehen können. Bei einem außerordentlichen Treffen mehrerer Stammeshäuptlinge im Reservat Kahnawake bei Montreal wurde gefordert, die Bundesregierung müsse nun die Gebietsforderungen aller Indianerstämme des Landes verhandeln.

Damit könnte sich der Konflikt mit den Mohawks zu einer Grundsatzfrage über die Rechte der Ureinwohner ausweiten. In Kanada gibt es rund 450.000 registrierte Indianer und 33.000 Eskimos. Ihre 2.234 Reservate bedecken mit 25.600 Quadratkilometern ein Gebiet, das etwas größer ist als Hessen. Wie in den USA wurden die Indianer von weißen Siedlern systematisch aus ihrem Land verdrängt und vielfach von Staat oder Unternehmen um ihr Land gebracht.

Daß die Debatte nur wenige Wochen nach dem - auch mit der Entscheidung des indianischen Abgeordneten Elija Harper aus der Provinz Manitoba - gescheiterten Lake-Meech-Abkommen aufkommt, ist sicherlich kein Zufall. Mit diesem Abkommen sollte das französischsprachige Quebec einen Sonderstatus bekommen, um so separatistischen Querschlägern Einhalt zu gebieten.

„Sind wir ein souveränes Volk, das seine eigenen Angelegenheiten regelt? Können wir unser eigenes Geld verdienen, oder sind wir wieder einmal nur ein Rädchen im Getriebe der weißen Ökonomie, die uns aussaugt und dann wegwirft? Bittet uns bloß nicht, unsere Souveränität aufzugeben. Das ist das einzige, was wir noch haben“, zitierte die New Yorker Wochenzeitung 'Village Voice‘ schon in der Ausgabe vom 15. Mai den Mohawk-Aktivisten Kakwirakeron. Die Titelstory über den „Bürgerkrieg der Mohawks“ wurde über das Akwesasne-St.-Regis-Mohawk-Reservat geschrieben, das an der Grenze zu den USA liegt. Dort hatte es schon im Juni bei Auseinandersetzungen innerhalb des Stammes zwei Tote gegeben. Grund: Radikale Mitglieder des Stammes hatten sich die weiße Logik zueigen gemacht und waren ins steuerfreie Kasino- und Bingo-Geschäft an der Route 37 Richtung USA eingestiegen - mit Erfolg. Daraufhin verlangte der Staat Steuern - und die von den weißen Bundesregierungen unterstützten, gewählten, moderaten Häuptlinge wollten zahlen.

Aber die jungen, militanten Aktivisten nicht. Sie kämpfen an zwei Fronten. Gegen die „Verräter“ im eigenen Lager und den weißen Staat. Sie nennen die Blockaden ihre „Front“ und haben Endzeitparolen wie „Siegen oder Sterben“ auf ihre Fahnen geschrieben. „Unsere ganze Lebensweise steht auf dem Spiel. Wir müssen unsere Entscheidungen fällen und die Weißen ihre... Wir wollen Bürger unserer eigenen Nation sein, keine ethnische Gruppe in einem Teil eines fremden Landes... Wir jedenfalls haben Waffen. “

Für viele Indianer in den kanadischen Reservaten ist das Leben ein ständiger Kampf gegen Armut, Alkoholismus und die mangelhafte Gesundheitsvorsorge. In einigen Regionen liegt die Arbeitslosigkeit bei bis zu 90 Prozent, die Lebenserwartung beträgt im Vergleich zu den Weißen neun Jahre weniger. Viele in den Reservaten fordern Selbstverwaltung. Zum Aufbau einer eigenen Wirtschaft und zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen wollen sie im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert das Land und die Rohstoffe, die ihnen vor zweihundert Jahren genommen wurden.

Andrea Seibel