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Letztes Niveau nicht erreicht

■ betr.: "Einstein zum Trotz: Chaos regiert die Welt", taz vom 18.7.90

betr.: „Einstein zum Trotz: Chaos regiert die Welt“, taz vom 18.7.90

Euer Artikel ist einseitig und deshalb schief: Zu Recht moniert Ihr das Beharren auf linearen Modellen beziehungsweise Gleichungen. Aber witzigerweise hängt gerade die vielzitierte Quantenunschärfe an dem Festhalten an linearen Gleichungen in diesem Bereich. Gibt mensch das Dogma auf, daß die Mikrophysik durch Lösungen linearer Gleichungen beherrscht wird, entschwindet zum Beispiel die Komplementarität, also die Auffassung, daß sich ein atomares Teilchen je nach Belieben der ExperimentatorIn als Welle oder Teilchen zeigt, zugunsten der Beschreibung durch de Broglie, daß es als stabiles „Energiebällchen“ von einer Führungswelle so geleitet wird, wie die Phänomene zeigen, also Welle und Teilchen gleichzeitig existieren.

Ebenso entschwindet die Allgemeingültigkeit der Heisenbergschen Unschärfebeziehung: Unter bestimmten Bedingungen ist es möglich, Ort und Impuls ohne wechselseitige Störung zu bestimmen.

Fazit: Wenn mensch immer tiefer in die Wirklichkeit eindringt, tauchen immer wieder scheinbar chaotische Erscheinungen auf, die sich bei näherer Betrachtungsweise durch Gesetze bestimmbar erweisen, die bei noch genauerer Betrachtungsweise wieder chaotisch erscheinen und so weiter. Und es gibt keinen Grund zur Annahme, mal das letzte Niveau erreicht zu haben - wie es Chaotiker wie Deterministen immer hoffen.

Prof.Dr.Jens Scheer, Bremen (BRD)

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