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Rabin bekommt eins auf den Deckel

■ Israels Arbeiterpartei desavouiert ihren Hardliner / Schimon Peres verbleibt im Amt / Kein Rechtsruck

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Einen völlig unerwarteten Sieg trug der Chef der israelischen Arbeiterpartei, Schimon Peres, über seinen innerparteilichen Erzrivalen Jizchak Rabin davon. Rabin, der schon seit langem auf den Parteivorsitz und somit auf die Kür zum Spitzenkandidaten der Arbeiterpartei aus ist, mußte am Sonntag abend bei der Tagung des Zentralkomitees seiner Partei eine herbe Niederlage einstecken. Eine klare Mehrheit von 54 Prozent der 1.400 ZK-Mitglieder erteilte in Tel Aviv dem ehrgeizigen Parteizweiten eine Abfuhr auf seine Forderung nach rascher Neuwahl des Parteivorsitzenden. Damit verbleibt Peres zumindest bis auf weiteres in Amt und Würden.

Gänzlich ungelegen kam vielen israelischen Zeitungs-, Rundfunk- und Fersehkommentatoren der überraschende Wahlausgang. Denn schon seit geraumer Zeit hatten sie der israelischen Öffentlichkeit in dem mittlerweile 15 Jahre währenden, innerparteilichen Machtkampf einen haushohen Sieg Rabins prognostiziert. Kaum einer mochte dabei auf das Überleben von Peres an der Parteispitze auch nur einen Schekel setzen. Nun stehen sie vor der unangenehmen Aufgabe, ihren Lesern, Hörern und Zuschauern schlüssig zu erklären, warum alles ganz anders gekommen ist und Rabins auf einen Soforterfolg zielende Offensive gescheitert ist.

Doch im Gegensatz zu etlichen Kommentatoren, die den Konflikt zwischen Rabin und Peres primär auf der Ebene persönlicher Animositäten sehen wollten, ist der Streit um die Führungsperson hauptsächlich Ausdruck zweier verfeindeter Lager innerhalb der Arbeiterpartei. Ein Sieg Rabins, der für seine unnachgiebige Haltung den Palästinensern gegenüber bekannt ist, hätte wohl binnen kurzer Zeit zu einer Versöhnung zwischen der Arbeiterpartei und dem regierenden Likud-Block von Ministerpräsident Schamir und damit zur Wiederauflage der „nationalen Koalition“ geführt. Vor allem in Washington hätte man dies der gegenwärtigen Rechtsregierung vorgezogen. Mit einer von Peres geführten Partei freilich dürfte eine solche Koalition ausgeschlossen sein. Letztlich allerdings deutet die Niederlage von Rabin daraufhin, daß die Arbeiterpartei auf der Suche nach einer völlig neuen Führung ist. Ezer Weizman, Ex-Minister der Arbeiterpartei für Wissenschaft und Technologie, meinte denn auch: „Was wir brauchen ist ein neues politisches Konzept. Ein Konzept, das den Frieden mit den Palästinensern durch eine Zwei-Staaten-Lösung anstrebt.“ Dies aber ist mit alten Parteikämpfen wie Peres und Rabin und deren politischen Vorstellungen nicht zu verwirklichen. In der Arbeiterpartei hat demnach bereits der Machtkampf um eine zukünftige Führung - jenseits von Peres oder Rabin begonnen.

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