: Der Sexist und die Karnickelinvasion
Großbritannien wird von einer schrecklichen Plage heimgesucht: 30 Millionen Karnickel fressen sich durch die Insel! Die relativ warmen und trockenen Winter der letzten Jahre haben die englische Karnickelbevölkerung explodieren lassen. Dabei waren die niedlichen Nager schon einmal fast ausgerottet. Anfang der 50er Jahre hatte es noch 100 Millionen Kaninchen gegeben. Dann aber wütete die Hasenkrankenheit Myxomatose unter den äußerst fruchtbaren Viechern und löschte 99 Prozent der englischen Hoppler aus. Nur die stärksten überlebten und brachten die jetzt so aktiven, sehr resistenten Super-Karnickel hervor. „Man sieht sie praktisch überall“, schilderte ent
setzt ein Experte des Londoner Landwirtschaftsministeriums, „sie fressen alles Grünzeug, das sie finden können.“ An die Wiedereinführung einer Abschußprämie, wie sie in den 50er Jahren vom Staat gezahlt worden war, denkt man heute nicht. Es gilt die Thatcher-Devise: private Initiative anstelle staatlicher Fürsorge. So führt jeder Brite seinen individuellen Kampf gegen Meister Lampe, mit den unterschiedlichsten Waffen. Sehr aufwendig sind die tief in den Boden reichenden und hoch aufragenden elektrischen Zäune. Häufiger ist der Einsatz chemischer, natürlicher und konventioneller Waffen: Da wird Gas in die Kaninchenbaue geleitet, werden Frettchen auf die Spur der Langohren gehetzt, Fallen gestellt - und da wird aus allen Rohren geschossen. Die Jagd wird als Sport betrieben oder auch mit professionellem Ehr
geiz. Die Nummer eins auf der Hitliste der Karnickelkiller ist ein Hasenjäger aus der Grafschaft Suffolk. Er erlegte in einer einzigen Nacht 474 der wohlschmeckenden Hoppler. Großer Gewinn ist aber auch mit solcher Rekordleistung nicht zu ma
chen. Da tote Kaninchen derzeit im Überfluß angeboten werden, zahlen Schlachter kaum mehr als umgerechnet 60 Pfennig pro Tier.
Da haben es die 200 noch existierenden Exemplare einer nur in Florida vorkommenden Karnickelart bedeutend besser. Sie sollen jetzt auf die Liste der gefährdeten Tierarten kommen. Ausgerechnet der weltbekannte Sexist und 'Playboy' -Herausgeber Hugh Hefner, bekannt durch seine mit Plüschohren und Stummelschwanz zu „Häschen“ degradierten Bedienerinnen, hatte in den 80er Jahren mit einer Spende einen Forscher unterstützt, der die seltene Art entdeckt hatte. Als Dank dafür wird dem Oberrammler Hefner jetzt ein lebendes Denkmal gesetzt. Die seltenen Karnickel bekommen den offiziellen Namen Sylvilagus palustris hefneri.
Karl Wegmann
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