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Volkskammer bremst Energiepläne

■ Alle interessierten bundesdeutschen Energieunternehmen sollen beteiligt werden / Enquete-Kommission für ein DDR-Energiekonzept eingerichtet

Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Die Volkskammer will die umstandslose Übernahme der DDR-Energiewirtschaft durch die drei bundesdeutschen Stromriesen RWE, PreussenElektra und Bayernwerke nicht hinnehmen und sich aktiv in die Debatte über das künftige Energiesystem auf dem Territorium der DDR einschalten. Am späten Sonntag abend verabschiedete das Ostberliner Parlament mehrere Anträge, mit denen die bisher unter Federführung von Umweltminister Karl-Hermann Steinberg (CDU) und dessen Staatssekretär Uwe Pautz ausgehandelten Übernahmepläne korrigiert werden sollen.

Mit überwältigender Mehrheit forderten die Abgeordneten die Regierung auf, über die zentrale Treuhandanstalt „mit allen interessierten Elektrizitätsunternehmen der Bundesrepublik in Verhandlungen einzutreten, um für die Umstrukturierung der Stromwirtschaft der DDR eine wettbewerblich verträgliche Lösung zu erreichen“. In einem ebenfalls verabschiedeten Zusatzantrag der SPD wird der Schutz der Energiewirtschaft in der DDR vor einer „wettbewerbs- und damit verbraucherfeindlichen Monopolisierung bzw. Oligopolisierung“ verlangt. Außerdem müßten die Interessen der Länder und Kommunen an einer eigenverantwortlichen Energieversorgung respektiert werden.

Mit knapper Mehrheit lehnte die Volkskammer allerdings die von der SPD-Fraktion formulierte „Allgemeine Leitlinien für eine Nachfrage-orientierte Energiepolitik“ ab. Darin war in neun Punkten eine ökologische Energiepolitik, u.a. die „Stillegung von Atomkraftwerken aus Sicherheitsgründen“ verlangt worden.

Als „großen Erfolg“ wertete der Vorsitzende des Umweltausschusses und Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Grüne, Ernst Dörfler, vor allem die in der Nachtsitzung der Volkskammer ebenfalls beschlossene Einrichtung einer „Enquete-Kommission zur Entwicklung eines Energiekonzepts für die DDR“. Damit hofft das Parlament, sich konkret in die Ausgestaltung des künftigen Energiesystems in der DDR einschalten und schließlich unter verschiedenen Alternativen auswählen zu können. Das Volkskammerpräsidium soll die Mitglieder der Kommission umgehend berufen. Allerdings blieb unklar, ob ein Vertrag mit den bundesdeutschen Energiekonzernen erst unterzeichnet werden kann, wenn die Arbeitsergebnisse der Enquete-Kommission vorliegen. Ein solches Junktim gibt es offenbar nicht.

Im Mittelpunkt der Kritik an den handstreichähnlich geplanten Übernahmeplänen steht auf seiten der DDR inzwischen der Staatssekretär für Energie und Reaktorsicherheit im Ostberliner Umweltministerium, Uwe Pautz. Der Steinberg-Vertraute hatte die Verhandlungen mit den Westkonzernen geführt. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Lothar de Maiziere verlangten noch am Sonntag abend 87 Abgeordnete seine Ablösung. Pautz habe „bei den Verhandlungen mit den bundesdeutschen Großunternehmen nicht glaubhaft nachweisen können, daß es ihm um moderne, ökologisch, sozial und marktwirtschaftlich vertretbare Energiewirtschaftsstrukturen geht“, beklagen die Abgeordneten, die etwa zu gleichen Teilen den Oppositionsfraktionen Bündnis 90/Grüne und PDS und den Regierungsfraktionen SPD und Liberale angehören. Die Verhandlungsergebnisse kämen den Interessen der Westunternehmen entgegen und hätten auch in der BRD „heftige Proteste“ ausgelöst, heißt es in offenen Brief weiter.

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