Unterm Strich

Einem Interview mit der konservativen 'Welt‘ zufolge befindet sich Rolf Liebermann in einem anhaltenden Mißverständnis über die ideologische Lage der Nation. „Ich glaube, Kunst ist links. Sie rüttelt an den Konventionen, und Konvention ist rechts“, sagte der Komponist und Intendant in der Montagsausgabe. Allerdings gibt es kaum Gruppen und staatliche Formationen, die auf Innovation länger hätten verzichten wollen denn jene, die sich selbst gern als links bezeichneten - in der Kultur nicht weniger als in allen anderen Lebensformen, die sich durch Zugriff eine gewisse Zeitlang disziplinieren lassen. Die Schreiberin dieser Zeilen erinnert sich an die schamhafte, aber wiederholte Teilnahme an einem Theaterstück eines beinahe in Vergessenheit geratenen sowjetischen Dramatikers über die Wirren der Revolution, das

von der Agitationsgruppe des Kommunistischen Bundes Westdeutschland im Ruhrgebiet auf die wechselnden Bühnen gebracht worden war. Spielstätten waren jeweils Grund- und Hauptschulen, Festsäle kleinbürgerlicher Kneipen und andere Räume mit ähnlich dichter Atmosphäre, das Publikum bestand aus linken Lehrern mit Familie und dem jeweiligen proletarischen Ehrenmitglied der Ortsgruppe. Anschließend wurde die Internationale abgesungen, und insgesamt läßt sich kaum ein kulturelles Ereignis denken, das von geringerer künstlerischer Inspiration gekrönt wurde. Vielleicht, wahrscheinlich hat Rolf Liebermann niemals eine Theateraufführung des KBW gesehen, unter Umständen sind ihm auch die Originale Jörg Immendorfs für die KPD/ML in ihrer vollen Schönheit entgangen. Gleichwohl finden sich in dem Ge

spräch Sätze von nachgerade rührender Schlichtheit: „Ich war ganz links, als ich sehr jung war. Die Beziehung wurde etwas kälter, als die Russen Finnland überfielen.“ Andererseits ist nicht zu übersehen, daß jene oben zitierten Merksätze gerade aktuell eine nicht von der Hand zu weisende Wahrheit genießen, denn im Gegensatz zu den siebziger und noch achtziger Jahren ist das Pendel der Allgemeingültigkeit so stark nach rechts ausgeschlagen, daß es nun tatsächlich wieder provokativ sein kann, sich links zu nennen, während zuvor auf Konsensnicken in nahezu jeder Runde, die aus guten Menschen bestand, gerechnet werden konnte.

Als hätten sie's geahnt, veranstalten der Verband deutscher Schriftsteller (VS) und der Deutsche Schriftstellerverband der DDR nun ein „Dichtertreffen in

Weimar“. Das Programm, kündigt der Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Medien an, umfasse „Lesungen und Diskussionen mit Schriftstellern aus beiden Teilen Deutschlands“. Das Dichtertreffen ist geplant für den 23. -25. Oktober, eine öffentliche Lesung „namhafter Autoren aus bisher unbekannten Werken“ ist für den 24. geplant.

Der Spieler“ eröffnete den dritten „Weilheimer Theatersommer“. Rudolf Noelte hat die Komödie des Moliere -Zeitgenossen Jean Fran?ois Regnard inszeniert. Die Inszenierung wurde mit viel Beifall aufgenommen und ist noch bis zum 12.August zu sehen. Am 24. August bringt die Festival-Chefin Cordula Trantow in eigener Regie Anton Tschechows „Möwe“ heraus, das bis zum 23.September auf dem Spielplan steht.