: Peru: Neoliberale Schocktherapie
■ Inflationsbekämpfung an erster Stelle / Wirtschaftsexperte: „Volk muß Opfer bringen“
Von Gaby Weber
Lima wird einer Festung gleichen, wenn am Samstag Alberto Fujimori zum neuen peruanischen Staatspräsidenten gekürt wird. Obwohl er mit den Stimmen der Linken seinen Konkurrenten Mario Vargas Llosa bezwang, hat sich seine Regierung schon vor der Amtseinführung unbeliebt gemacht: Während des Wahlkampfes hatten Fujimori und seine „Bewegung Wechsel 90“ versprochen, das Land keiner neoliberalen Behandlung auszusetzen, doch nun soll der berüchtigte „Schock“ die peruanische Wirtschaft sanieren.
Nachdem Fujimoris Wirtschaftsexperte Santiago Roca aus Protest gegen die jetzt angekündigten Maßnahmen zurücktrat, hält es sein Nachfolger, der neoliberale Ökonom Jorge Chavez, für „unverantwortlich, dem Volk zu verschweigen, daß es Opfer bringen müsse“. Hauptziel der neuen Regierung sei die Bekämpfung der Inflation, die von monatlich 50 auf zehn Prozent jährlich gedrückt werden solle. „Selbst wenn Sendero Luminoso morgen die Macht ergriffe, müßte er diese Reformen durchführen“, verteidigte sich Chavez.
Die Wirtschaft des Andenstaates befindet sich am Rande des Zusammenbruchs. Allein im letzten Monat hat die peruanische Währung, der Inti, gegenüber dem Dollar über 150 Prozent an Wert verloren. Die Preise werden täglich neu ausgezeichnet, und selbst Grundnahrungsmittel wie Reis, Öl und Milch aber auch Benzin sind vom Markt verschwunden.
In der Sieben-Millionen-Stadt Lima werden seit Anfang des Jahres Wasser und Elektrizität rationiert; allein dadurch entsteht ein Produktionsausfall von täglich zwölf Millionen Dollar, schätzt der Industrieverband. Bereits in den vergangenen zwei Jahren fiel das Bruttosozialprodukt um 8,8 beziehungsweise zehn Prozent, und in diesem Jahr wird sich die Situation wohl kaum verbessern.
In der Staatskasse, die Fujimori am Samstag übernimmt, befinden sich noch 250 Millionen Dollar. Das reicht gerade, um die Importe für den Monat Juli zu bezahlen. Entgegen seinem Wahlversprechen will der neue Präsident hundert Staatsbetriebe privatisieren, „mindestens“ fügt er hinzu, und verweist auf das prekäre Defizit.
Mit Blick auf die internationalen Finanzorganisationen erklärte Fujimori, daß Peru den Schuldendienst leisten werde. Dennoch erhielt er bisher keine konkreten Kreditzusagen; sowohl die japanische Regierung als auch der IWF wollen erst einmal abwarten, ob die versprochene Schocktherapie wirklich durchgeführt wird.
Sowohl aus den Reihen seiner Bewegung „Wechsel 90“ als auch von den Gewerkschaften muß Fujimori mit heftigem Widerstand rechnen. Allein Freitag nacht wurden zahlreiche Geschäfte, Kinos und Büros angezündet. Bilanz der Nacht: zehn Tote, hundert Verletzte und mehrere Millionen Sachschaden.
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