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„Wir bieten ein grünes Dach“

■ Christian Ströbele vom Bonner Bundesvorstand der Öko-Partei zu den Perspektiven eines grün-bürgerbewegten Wahlbündnisses

INTERVIEW

taz: Einzelne Abgeordnete des Bündnis 90/Grüne liebäugeln mit SPD-Listenplätzen. Wird dem Bundesvorstand bei seinen Gesprächen um ein Wahlbündnis damit der Teppich unter den Füßen weggezogen?

Christian Ströbele: Nein. Es ist schon länger bekannt, daß solche Verhandlungen stattfinden. Uns geht es auch nicht um einzelne Listenplätze für die oder die Persönlichkeit aus den Bürgerrechtsbewegungen, sondern unsere zentrale Überlegung ist die, daß wir in wesentlichen politischen Inhalten mit den Bürgerrechtsbewegungen übereinstimmen - in ökologischen Fragen, der Sanierung von Mülldeponien, der Abschaltung der Atomkraftwerke, von Fragen der Abschaffung der Wehrpflicht und der Geheimdienste bis hin zu der Forderung nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Frauen. Da gibt es so viel Übereinstimmung, daß es eigentlich nicht zu verantworten wäre, wenn man nicht mit einer gemeinsamen Wahlplattform in den Wahlkampf zieht.

Die Namen, die da genannt werden, stehen für eine bestimmte Politik und auch für die Bürgerbewegungen selbst. Diese Abgeordneten monieren den schleppenden Gang der Verhandlungen oder bezeichnen diese gar als gescheitert.

Die Bürgerbewegungen bestehen nicht aus einzelnen Persönlichkeiten, wenn es auch so ist, daß einzelne zu Symbolfiguren geworden sind. Die Bürgerbewegungen, gerade das Neue Forum oder Demokratie Jetzt, sind in einem Maße in der Bevölkerung verankert, wie es in der Bundesrepublik nur ganz selten der Fall gewesen ist. Wir orientieren uns an den Bürgerbewegungen und verhandeln mit deren Gremien. Wir können natürlich einzelne Leute, die vielleicht eine programmatische Nähe zur SPD haben und sichere Listenplätze bei der SPD für attraktiv ansehen, nicht daran hindern, daß sie eine andere Entscheidung fällen. Daß die Verhandlungen mit den gewählten Organen der Bürgerbewegungen schwierig werden, das wußten wir, und deshalb waren wir ja auch dagegen, daß jetzt so schnell und überstürzt Wahlen stattfinden.

Falls die SPD sieben bis zehn Listenplätze zur Verfügung stellte, würden mehr Personen aus den Reihen der Bürgerbewegungen ins gesamtdeutsche Parlament einziehen, als wenn sie unter einem grünen Dach anträten.

Wenn es gelingt, das breite Bündnis von den Grünen in der DDR bis hin zu den fünf Bürgerbewegungen hinzukriegen, kann ein Stimmenanteil erreicht werden, der über das hinausgeht, was alle Gruppen zusammen bei den Volkskammerwahlen erreicht haben. Wenn ein solches Bündnis eine wirkliche Alternative darstellt, dann halte ich es durchaus für möglich, daß nicht nur sieben oder acht Plätze für die DDR zu vergeben sind, sondern daß es auch doppelt so viel sein können.

Wenn eine solche SPD-Liste kommt zustande, dann stünden die WählerInnen vor dem Dilemma, zu entscheiden, ob es ihnen wichtiger ist, daß profilierte VertreterInnen der Bürgerbewegungen ins Parlament einziehen oder die Grünen. Ist das auch euer Dilemma?

Es gibt in der Geschichte der SPD häufiger solche Angebote, gerade aus der Frühzeit der Bundesrepublik. Man kann im nachhinein feststellen, daß einzelne Persönlichkeiten, die sich auf so etwas eingelassen haben, völlig untergegangen sind. Die Gruppierungen, aus denen sie gekommen sind, haben danach nicht mehr bestanden. Wenn es jedoch um die Inhalte geht und nicht um die einzelnen Personen, müssen sich die zusammenschließen, die sich in ihren politischen Positionen nahestehen, statt gegeneinander anzutreten.

Der Beschluß des Neuen Forums, die Entscheidung über eine Wahlbeteiligung den Landesverbänden zu überlassen, hat sich wegen der damit verbundenen Unsicherheiten gerade auch für die Abgeordneten bei den Bemühungen um ein breites Wahlbündnis als Schuß nach hinten erwiesen. Wie will der Bundesvorstand mit diesem Problem umgehen?

Man darf nicht immer nur von der Sicht der Abgeordneten in der Volkskammer ausgehen. Dieser Beschluß der Vertreterversammlung des Neuen Forums ist sehr vernünftig, da die Positionen des Neuen Forums und auch die der Grünen in den Ländern sehr unterschiedlich sind. So kann die für das jeweilige Land passende Konstellation gefunden werden. Das ist natürlich dezentral und föderalistisch und nimmt den Volkskammerabgeordneten, die in Berlin sitzen, Einflußmöglichkeiten, aber deshalb ist es meiner Ansicht nach ein demokratischeres Vorgehen.

Mit welcher Position geht der Bonner Bundesvorstand in die nächste Verhandlungsrunde am 5.August? Was habt ihr den Bürgerbewegungen anzubieten?

Wir werben ganz klar für ein breites Bündnis. Sollte es aus Gründen des Wahlrechts erforderlich sein, bieten wir nach wie vor ein Dach der Bundesgrünen an, unter dem ein solches Bündnis dann kandidieren könnte. Unser Vorschlag an die Bürgerrechtsbewegungen ist, sich zunächst auf eine Wahlplattform und einen Modus zu einigen, wie die KandidatInnen in den Ländern ausgewählt werden, sowie auf einen Namen, der dann auf dem Wahlschein erscheint, und letztendlich auch über die finanziellen und materiellen Folgen, die sich daraus ergeben. Wie das Dach dann genau aussieht, ob es Listenplätze auf den Listen der DDR-Grünen gibt, oder ob man andere Lösungen finden muß, wird man dann sehen. Das wichtige ist jetzt erstmal, daß das Bündnis geschmiedet wird. Die juristischen Modalitäten hängen ja auch davon ab, wie das Wahlgesetz aussehen wird.

Gibt es Überlegungen bei den Bundesgrünen, ihren Namen durch eine Schrägstrichvariante zu ergänzen, um den Bürgerbewegungen entgegen zu kommen?

Im Moment nicht, aber längerfristig ist das durchaus möglich. Die Gruppierungen, die in der DDR in den Ländern kandidieren, können durchaus als die Grünen/Neues Forum oder Die Grünen/Demokratie Jetzt antreten. Das ist nach unserem Wahlgesetz möglich.

Und auf Bundesebene?

Auf Bundesebene ist das nicht angedacht. Wir wollen auf dem nächsten Bundesparteitag Ende September die formalen Vorraussetzungen schaffen, daß die Bundesgrünen überhaupt in der DDR kandidieren können, bisher sind sie auf das Bundesgebiet beschränkt. Es gibt aber durchaus auch Überlegungen, wegen der Signalwirkung von Namen bei der noch ausstehenden Kandidatenaufstellung im Bundesgebiet eine Frau oder einen Mann aus den Bürgerrechtsbewegungen zu berücksichtigen.

Die grüne Partei der DDR hat sich bereits im Namen den Zusatz „Die Grünen“ zugelegt. Heißt das, daß die Westgrünen damit auch eine Schwesterpartei in der DDR und damit gegenüber den Bürgerbewegungen einen anderen Hauptansprechpartner haben?

Parallel zu diesen Bündnisverhandlungen laufen Gespräche mit den DDR-Grünen über einen Zusammenschluß der beiden grünen Parteien. Wir haben gestern im Bundesvorstand beschlossen, das intensiv fortzusetzen und über Einzelheiten eines Zusammenschlusses zu verhandeln. Die Namensgebung ist als mißverständliches Signal bei den Bürgerbewegungen angekommen. Bei dem Beschluß der DDR-Grünen ist wenig verbreitet worden, daß gleichzeitig mit der Namensgebung festgehalten worden ist, weiterhin ein breites Bündnis auch von den DDR-Grünen aus anzustreben. Das heißt, sie wollen damit nicht die Bündnisverhandlungen torpedieren.

Am Wochenende hat die PDS beschlossen, bei den Wahlen im Dezember unter dem Namen „Linke Liste/PDS“ gesamtdeutsch anzutreten. Gibt es da Berührungspunkte mit den Grünen?

Es gibt sicherlich in der alternativen Szene Berührungspunkte. Es gibt Leute, die gehen zu Veranstaltungen mit Gregor Gysi und zu Veranstaltungen, die die Grünen etwa im Wahlkampf machen. Aber die PDS ist keine inhaltliche Konkurrenz für die Grünen, jedenfalls in wesentlich geringerem Ausmaß als für die SPD. Wir werden die öffentliche Auseinandersetzung mit der PDS nicht scheuen und auch klar machen, daß es nicht stimmt, wenn sie beansprucht, die authentische linke Partei zu sein. Die PDS steht in ihren Positionen der SPD sehr viel näher als alternativen und grünen Gedanken.

Interview: Beate Seel

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