: Vom Tanz blauer Wesen
■ Malerei von behinderten Kindern in der Unteren Rathaushalle ausgestellt
Bunte Städte, in denen Autos hin- und herfahren, Häuser sich türmen, - Piet Mondrian würde sich wundern, was zwölf geistig- und/oder körperbehinderte SchülerInnen gemalt haben, nachdem sie seine Bilder betrachtet hatten: Da tanzen und purzeln nach seinem Vorbild Farbquadrate, die eigentlich jedoch keine sind; kein rechter Winkel weit und breit, alles bewegt sich, strebt zueinander und voneinander weg. „Broadway-Boogie-Woogie“ ist diese Reihe der Bilder betitelt, die zur Zeit in der Unteren Rathaushalle ausgestellt sind. Bremen ist für die Ausstellung der Start einer „Bundesländer-Tournee“, die der Reichsbund der Kriegs und Wehrdienstopfer, Behinderten, Sozialrentner und Hinterbliebenen organisiert hat. In Bremen ist Henning Scherf Schirmherr der Ausstellung.
Zu sehen sind 26 „abstrakte“ Arbeiten von SchülerInnen einer fünften Klasse der Rheinischen Schule für Körperbehinderte in
Sankt Augustin bei Bonn und 25 Arbeiten von körperbehinderten Kindern zum Thema Luftballons unter dem Titel „Am liebsten flögen wir hoch hinaus“. Kandinsky, Matisse, Klee lassen grüßen: Nach einem Besuch des Museums Ludwig in Köln komponierten die Kinder Landschaften, die zum Spaziergang einladen: ein rotglühender Berg ragt aus grünblauer Umgebung, die auch eine Seelenlandschaft sein könnte. Blaue Wesen tanzen im Frühlingsgrün, und eine Farb -Harmonie aus braunen Quadraten lädt die Augen zum Ausruhen ein.
„Feurige Farben im eisigen Ozean“ heißt eine Bildreihe, bei der die Kinder die Farbempfindungen warm und kalt ausprobierten: Rot und Blau kämpfen da um Platz auf dem Papier oder fügen sich zu „rotem Himmel über blauem Meer“ zusammen.
Auch von der Musik ließen sich die Kinder inspirieren und aus Klängen Farben und Formen entstehen: Striche, Quadrate, Kreise in farblichen Klang-Kontrasten reihen sich rhythmisch aneinander. Über schweren Baß-Quadraten schwebt eine helle Melodie aus Formen, leicht wie Luftblasen. Aber auch ganz freie Bilder sind dabei: Aus einem Bild blicken, verstrickt und gefesselt
durch giftige Ranken, blasse Figuren mit grünen Köpfen. Ein Flugzeug fliegt durch eine kaminrote Schlucht in einen blauen Ausblick. Davon hätte ich mir mehr gewünscht.
Vielleicht zu viele Vorgaben beim Spiel mit den „elementaren Formprinzipien“? Die Fotos am Eingang zur Ausstellung zeigen, wie mehrere Kinder Formen in einem gemeinsamen Bild ausmalen, wie sie Hilfestellungen erhalten, wie eine Helferin selbst Hand anlegt. Man müsse Themenstellungen finden, schreibt Lehrerin Ursula Milz, die von allen Schülern motorisch bewältigt werden können. Sicher ist es für die Kinder ein großer Gewinn, Ergebnisse in größtmöglicher Perfektion vorzuzeigen. Doch die Bilder, auf denen sie mal so richtig lospowern, sind die nicht ausstellungsreif? Der Bundesvorsitzende des Reichsbundes, Walther Franke, erzählte mir, daß die Kinder oft wochenlang gar nichts malen, gar nicht zugänglich sind und dann geht's plötzlich wieder. Über diese sehr mühevolle pädagogische Arbeit könnten die Betrachter ruhig mehr erfahren. Beate Ram
Die Bilder - noch bis zum 13. August zu sehen - sind käuflich zu erwerben.
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