Zahlreiche Dunkelstellen beim GATT

■ Verzug beim Terminplan für das Handelsabkommen / Kritik der Dritte-Welt-Länder

Aus Genf Andreas Zumach

Die nach dem Houstoner „Weltwirtschaftsgipfel“ mit großen Hoffnungen befrachtete Uruguay-Verhandlungsrunde im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) hat bislang kaum Fortschritte gebracht. Zwar verkündeten EG -Vertreter im derzeit in Genf tagenden GATT-Ausschuß für Handelsfragen (TNC) am Dienstag nachmittag, daß in den 15 Arbeitsgruppen „allseits akzeptierte“ Zwischenberichte zur Grundlage für die weiteren Verhandlungen erarbeitet worden seien. Doch enthalten die meisten Berichte Anhänge, in denen zahlreiche unterschiedliche Positionen der 105 Staaten festgehalten sind.

Bereits am Montag war die Suche nach einem Kompromiß im zentralen Streitpunkt zwischen der EG und den USA über Agrarsubventionen auf den 27.August vertagt worden. In den letzten beiden Tagen wurde deutlich, daß auch die Verhandlungen über die vor allem für Drittweltländer wesentlichen Fragen des Dienstleistungsexports und des Textilhandels in der Sackgasse stecken. Die ursprüngliche Absicht, bis zum 30.Juli die Sachprobleme zu lösen, so daß politische Entscheidungen gefällt werden können, wurde inzwischen aufgegeben. Damit ist auch das Ziel, die im September 1986 in Punta del Este begonnene Uruguay-Runde bis Dezember 1990 mit einem Abkommen abzuschließen, zunehmend in Gefahr. Bis heute abend wollen die 105 Staaten unter Führung von GATT-Generaldirektor Artur Dunkel zumindest auf Verfahrensfragen für die nächsten vier Monate verständigen.

Die Botschafter Indiens und anderer Drittweltstaaten machten deutlich, daß die bisherigen Positionen der westlichen Industriestaaten zum Textilhandel und zum Export von Dienstleistungen „unakzeptabel“ seien. Es geht derzeit darum, Regelungen für die Übergangsphase nach Ausläufen des vierten Welttextilabkommens Mitte 1991 und bis zur Vereinbarung eines neuen Vertrages zu finden. Wie für Agrarprodukte verlangen die Drittweltländer von den Industriestaaten einen Abbau der Importschranken auch für Textilprodukte. Sie lehnen den US-Vorschlag für die Einführung von Quotenmengen ab, ferner die EG-Forderung, diese Frage mit der Disziplin der GATT-Mitgliedstaaten bei der Einhaltung anderer GATT-Bestimmungen zu verquicken. Für Dienstleistungen gibt es bislang überhaupt keine GATT -Bestimmungen. Umstritten ist nach wie vor, welche Dienstleistungsbereiche unter ein künftiges Abkommen fallen sollen. Die Drittweltstaaten befürchten bei einer völligen Liberalisierung die Überschwemmung mit Dienstleistungsangeboten aus den Industriestaaten, etwa Kreditkarten oder computergestützte Dienste, gegen die die einheimischen Unternehmer keinerlei Chance haben.

Kontrovers vor allem zwischen westlichen Industriestaaten und asiatischen „Schwellenländern“ wie zum Beispiel Südkorea oder den Philippinen sind auch die künftigen Anti-Dumping -Bestimmungen. Brasilien, das bis zum letzten Jahr in dieser Frage zusammen mit Indien eine führende Rolle auf Seiten der Dritten Welt spielte, hält sich nach dem Regierungswechsel in Brasilien deutlich zurück. Und zahlreiche Drittweltstaaten kritisierten, daß wichtige Verhandlungsgespräche unter weitgehendem Ausschluß der Dritten Welt stattfänden.