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SowjetbürgerInnen dürfen Devisen besitzen und sie auch ausgeben

Moskau (dpa) - In der Sowjetunion steht ein radikaler Kurswechsel in der Währungspolitik bevor: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten erhalten Sowjetbürger ab 1. August das Recht, legal Devisen zu besitzen und in Sonderläden im Land auszugeben. Wie der stellvertretende sowjetische Ministerpräsident Stepan Sitarjan nach Angaben der Nachrichtenagentur 'Tass‘ erklärte, will Moskau außerdem seine bisher äußerst restriktive Zinspolitik überdenken. Sowjetbürgern war der Besitz von ausländischen Währungen bisher gesetzlich verboten. Nur bei genehmigten Auslandsreisen erhielten sie einen verhältnismäßig kleinen Devisenbetrag. Die von sowjetischen Banken und Sparkassen gezahlten Zinsen waren aus politischen Gründen minimal.

Nach den Worten von Sitarjan soll ein Netz von Devisenläden in der UdSSR entstehen, in denen Sowjetbürger ausländische und einheimische Produkte für harte westliche Devisen kaufen können. Außerdem sollen Sowjetbürger Devisenkonten bei der staatlichen Außenwirtschaftsbank eröffnen können, ohne wie bisher die Herkunft des Geldes nachweisen zu müssen. Damit sollen sowjetische StaatsbürgerInnen ihr ausländisches Geld legalisieren und in der UdSSR ausgeben.

Als Grund für die Entscheidung gab Sitarjan an, daß sowjetische Firmen seit einiger Zeit Devisenreserven anlegen, um ihren Angestellten besondere Vergünstigungen zu zahlen. Zudem hätten Sowjetbürger auf Valutakonten bereits rund 200 Millionen Devisenrubel (knapp 600 Millionen DM) angelegt. Die Regierung will mit dieser Maßnahme vor allem die vorhandenen Devisenreserven abschöpfen und in die Staatskasse leiten. Darüberhinaus solle die Zinspolitik überdacht werden, um Anlegern zusätzliche Anreize zu bieten.

Deviseneinnahmen erhält die Regierung demnächst auch von den „sozialistischen Bruderländern“. Wie schon innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) verabredet, wird demnächst auch der Handel mit befreundeten Drittländern auf Dollarbasis abgerechnet.

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