: Rochade grande in der Volkskammer der DDR
Berlin (taz) - Innerhalb weniger Stunden wechselten am Dienstag eine Fraktion und mehrere Abgeordnete die Lager in der Volkskammer. Zwei Minister verloren den Job, sechs weitere Männer und Frauen aus de Maizieres 25köpfiger Regierungsriege dürften dem kommenden Freitag mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Sollte die SPD ebenso wie die Liberalen aus der Koalition aussteigen, dürften auch sie ihren derzeitigen Arbeitsplatz verlieren.
Die zehnköpfige gemeinsame Fraktion aus Bauernpartei (DBD) und Frauenbund (DFD), bis zum Dienstag quasi der CDU versprochen, hat sich in drei Teile aufgelöst: Drei von den neun Bauern-Vertretern wechseln zur SPD, die einzige DFD -Abgeordnete verstärkt fortan die Liberalen, der noch aus der Honecker-Ära übriggebliebene Ex-Bauernführer Maleuda will nach Auflösung der DBD-Fraktion fraktionslos bleiben. Damit hätte die CDU/DA-Fraktion 172 Stimmen, die SPD 91 sowie die Liberalen 24. Wie lange das Bündnis 90/Grüne noch 20 Plätze hält, ist unklar. Zumindest bei einem Grünen ist nicht eindeutig festzustellen, ob er weiterhin die Ökofahne raushängt. Einzig die PDS verzeichnet weder Ab- noch Zugänge, 66 Abgeordnete sitzen in Treue fest im Parlament.
Von der Regierungsbank verabschiedet haben sich die beiden Liberalen Axel Viehweger (Bau) und Manfred Preiss (Kommunales und Regionales). Pikant: Ausgerechnet der dritte von den Liberalen in die Regierung Geschickte, Justizminister Kurt Wünsche, bleibt als einziger der Troika übrig. Die Liberalen hatten ihn wegen seiner Vergangenheit als Ulbricht- und Honecker-Minister zum Parteiaustritt gezwungen.
Bei einem eventuellen SPD-Ausstieg aus der Regierung dürften zwei Herzen, ach, in der Brust von sechs weiteren MinisterInnen wohnen: Außenminister Meckel, Finanzminister Romberg, Handelsministerin Reider, Arbeitsministerin Hildebrandt, Forschungsminister Terpe und Postminister Schnell besitzen ein SPD-Parteibuch. Und der parteilose Landwirtschaftsminister Pollack kam auf Vorschlag der SPD zu seinem Amt.
peb
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