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Nimm mich mit, Kapitän ...

■ „Eyuphuro“ bei den „Beat!-Apartheid„-Heimatklängen vorm Tempodrom

Es ist Halbzeit bei den Heimatklängen '90. Mit „Eyuphuro“ stellt sich in dieser Woche die vierte von insgesamt acht schwarzafrikanischen Bands der Heimatbevölkerung Berlins vor. Daß die Auswahl der Gruppen nicht einfach willkürlich ist, sondern daß alle aus den sogenannten Frontstaaten oder aus Südafrika selbst kommen und sich, zumindest bei diesem Festival, dem Kampf gegen die Apartheid verschrieben haben, fiel einem beim Konzert von Eyuphuro am Mittwoch erst wieder ein, als ein Vertreter der mosambikanischen Botschaft in Ost -Berlin versuchte, die Band vorzustellen.

Herzliches Lachen ergriff die Musiker, als der „Botschafter“ den Chefsänger, -gitarristen und Gründer der Band, Gimo Abdul Remane, mit dem zweiten Gitarristen Chico Ventura verwechselte. Der gute Mann versuchte, die Gunst der Stunde (vor solch einem großen Publikum zu sprechen) durch die Beschwörung der guten Beziehungen der Deutschen - er meinte die DDR - zu Mosambik, einem der ärmsten Länder der Welt, zu nutzen. In der DDR leben noch etwa 15.000 Mosambikaner, Überbleibsel der Schulung von Kadern der Befreiungsorganisation FRELIMO und vor allem „Gastarbeiter“, die in der DDR die Dreckarbeit verrichten dürfen. Ähnlich wie den vielen Vietnamesen droht ihnen nun der Rauswurf durch ein gesamtdeutsches Regime. Diese Message vermochte Petro Taimo, erster Sekretär der Botschaft, leider nicht ans Publikum zu bringen; statt dessen reckte er die Faust zum Kampf gegen die Apartheid in Südafrika - „der Kampf geht weiter“.

Würden Eyuphuro versuchen, länger als die vertraglich vereinbarten fünf Tage in Berlin zu spielen, würde man sie vermutlich in Abschiebehaft nehmen. Die Musiker von der Ilha de Mozambique, vor der Küste Mosambiks im Indischen Ozean, haben das Glück, einen Kontrakt mit dem britischen Real -World-/Virgin-Label geschlossen zu haben: eine Eintrittskarte für die reichsten Länder der Welt. So hatten sie die Möglichkeit, beim Londoner WOMAD-Festival im Mai dieses Jahres aufzutreten, worauf die englische Presse sie als beste Band des Programms feierte.

Ob sie solche Trophäen in Berlin auch ernten werden, ist noch offen. Ihre Musik jedenfalls strahlt eine in sich ruhende, harmonische Gelassenheit aus. Das Saxophon unterstreicht den warmen Klang der Stimme der Sängerin Zena Bakar. Die doppelt besetzten Trommeln moderieren das Gemisch aus arabischer und afrikanischer Rhythmik. Auch die zwei akustischen Gitarren wirken ebenfalls unaufdringlich, eher wie ein nettes Angebot, doch mal selbst auf der Insel im Indischen Ozean vorbeizuschauen. Der Sound, die ganze Ausstrahlung von Eyuphuro sind sympathisch, man möchte sich von ihnen forttragen lassen über die Wipfel des Tempodroms in die Gischt der Wogen am Strand ihrer Insel. Und gleichzeitig weiß man: Das ist romantisierender Blödsinn. Oder, wie eine Kollegin vom Rundfunk es ausdrückt: Lala.

Aus den Träumen gerisen wird man durch den Hahnenschrei Zena Bakars, den man noch im tiefsten Tiergarten hören dürfte. Sie scheint die heimliche Lenkerin der Gruppe zu sein, sie steht im Mittelpunkt des Geschehens. Bei Eyuphuro sind endlich einmal nicht die Frauen „nur“ als Tänzerinnen und Hintergrundsängerinnen engagiert. Im Hintergrund stehen die Männer. Diese Konstellation bietet Stoff für die gelungene Inszenierung eines Eifersuchtsdramas beim letzten Titel des Abends: Zena knallt ihrem „Partner“ Gimo Abdul (an der Gitarre) ihre Umhängetasche vor die Füße und kauert sich beleidigt in eine Ecke der Bühne. „Ihr“ Mann schleppt daraufhin eine Frau aus dem Publikum aufs Podium, um mit dieser zu tanzen und „seine“ Frau endgültig zu demütigen. Die erkämpft sich jedoch ihren Platz am Mikrophon zurück, und die Konkurrzenz wird mit einem Küßchen verabschiedet.

Noch einmal heftiges „obrigado“ der Musiker, eine kurze Zugabe, und schon ist es wieder kurz nach Mitternacht, höchste Zeit, den unsichtbaren, aber lästigen Nachbarn ihre gerichtlich erstrittene Friedhofsruhe zu gewähren (nicht jeder kann bis mittags schlafen!, säzzer).

Andreas Becker

„Eyuphuro“ ist noch heute und Samstag täglich um 21 Uhr 30 vorm Tempodrom und am Sonntag um 16 Uhr 30 im Garten des Hauses der Kulturen der Welt zu hören.

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