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Beckmeyer: Abrüsten, aber gaaaanz langsam

■ Wirtschaftsbehörde legt vertrauliche Studie zur Bremer Abhängigkeit von Rüstungsproduktion vor

In Fällen, in denen Bremens Senat überhaupt nichts mehr einfällt, fallen ihm zwei Dinge mit schöner Regelmäßigkeit garantiert ein. Erstens: Eigentlich ist der Bund zuständig. Und zweitens: In Bremen kann eine „ressortübergreifende Senats-Arbeitsgruppe“ zumindest nichts schaden. Die Frage, welche Folgen die weltweite Entspannung für Bremen haben könnte, ist so ein Fall: Eine „ressortübergreifende Arbeitsgruppe“ unter Federführung von Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer soll sich ihr jetzt annehmen. So lautet jedenfalls ein Vorschlag der Beckmeyer-Behörde, in dem allerdings gleichzeitig und vorbeugend festgestellt wird: „Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß dem Senat im Rahmen des Konversionsprozesses nicht die Hauptrolle zukommt... Abrüstungspolitik ist Aufgabe des Bundes.“

Probleme, wenn amerikanische GI's abgezogen, Bundeswehr -Truppen reduziert, Verteidigungsetats gekürzt werden, bekommt allerdings Bremen. In einer 12-seitigen, bislang vertrauli

chen Studie kommt der Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung (BAW) jetzt zu dem Ergebnis: „Neben den Räumen München-Augsburg, Friedrichshafen und Kassel gehört Bremen zu den vier Schwerpunkten der Rüstungsproduktion in Bremen“.

Rund jeder 20. Arbeitsplatz in Bremen ist von der Rüstungsproduktion abhängig. 6.538 BremerInnen, haben die BAW-Forscher ermittelt, arbeiten in Bremen direkt an Rüstungsgütern. Zwischen 4.000 und 9.000 Arbeitsplätze kommen in der Zulieferin

dustrie hinzu. Allein in den letzten 10 Jahren haben Bundeswehr und Alliierte für fast 10 Milliarden Mark Rüstungsgüter in Bremen eingekauft.

Vergleichsweise lächerlich nehmen sich dagegen die privaten Einkäufe der in Bremen und Bre

merhaven stationierten Soldaten aus. Trotzdem: Wenn sämtliche GI's und Bundeswehrsoldaten schlagartig verschwänden, gingen dem Bremer Einzelhandel jährlich rund 95 Millionen Umsatz verloren. Noch dicker käme es für das kleinere Bremerhaven, wo die Läden auf Waren im Wert von rund 50 Millionen sitzen blieben. Hinzu kämen Einnahmeausfälle von über 300 Millionen, die die Militärs bislang pro Jahr in Bauprojekte, aber auch in die Löhne und Gehälter von Zivilbschäftigten investiert haben. Positiver Effekt eines Radikalabbaus amerikanischer Truppen: Mit sofortiger Wirkung würden in Bremen 505, in Bremerhaven 736 Wohnungen frei.

Bis Ende Oktober, so der Vorschlag des Wirtschaftssressorts, soll der Senat sich jetzt einfallen lassen, was aus Bremen bei immer weniger Rüstung und Soldaten werden soll. Ausdrücklich ausgenommen vom Auftrag der Arbeitsgruppe: Die Entwicklung alternativer Produkte. „Konversion“, so heißt es in dem Beckmeyer-Papier, „ist Aufgabe der Un

ternehmen.“

Ebenfalls nicht vorgesehen: Der von der „Bremer Stiftung für Konversion und Friedensforschung“ seit langem geforderte „Konversionsbeirat“, an dem auch Vertreter der Friedensbewegung beteiligt sein sollen. Stattdessen wird in dem Papier empfohlen „externe Experten - etwa in Form eines Hearings - heranzuziehen“.

Daß man im Bremer Wirtschaftsressort selbst nicht an schnelle Erfole der vorgeschlagenen Strategie glaubt, belegt ein Antrag an Beckmeyers an seine Kollegen in den übrigen Bundesländern. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, „ihren Einfluß bei den Nato-Partnern geltend zu machen, daß Entscheidungen über Standorte, an denen ein Truppenabbau vorgenommen werden soll, erst nach vorheriger Konsultation der betroffenen Länder erfolgen“. Vorgeschlagenes Zeitlimit zwischen Ankündigung um Vollzug von Abrüstungsmaßnahmen, wenn es nach Uwe Beckmeyer geht: „mindestens drei Jahre“.

K.S.

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