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Die Bundespost, ein Cheeseburger de Luxe - und der falsche Hunni

■ Der ganz normale Feierabendwahnsinn: Eine Faschgeldgeschichte aus den Tiefen Neuköllns / Die Polizei als Freund und Helfer

Neukölln. Donnerstag abend. Ich mußte noch schnell zur Post, um ein Päckchen abzuholen. Lange Schlange vor dem Schalter. Als ich nach 15 Minuten endlich an die Reihe kam, verlangte der freundliche Beamte 90,81 DM von mir: „Ist 'ne Nachnahme, war leider nicht auf dem Abholschein vermerkt, unser Fehler.“ Natürlich hatte ich nicht so viel Geld dabei. Retter in der Not: der Geldautomat im Postamtfoyer. Die Maschine gab mir anstandslos zwei Hundertmarkscheine.

Als ich mich auf den Heimweg machen wollte, meldete sich mein Magen. Er gab mir sehr deutlich zu verstehen, daß ich die Zeit der Nahrungsaufnahme schon um einiges überschritten hatte. Gegenüber, in der Karl-Marx-Straße, lockte ein „Burger King“. Ich erinnerte mich an die stolzen Worte unseres Altbundeskanzlers Helmut Schmidt, der einmal behauptet hatte: „Mit der Zeit sind wir alle kleine Amerikaner.“ Ich orderte einen Cheeseburger de Luxe (manchmal gönn‘ ich mir was), eine Portion Zwiebelringe und ein Bier. „Acht Mark fuffzig“, bellte die zierliche Bedienung, und ich reichte ihr den letzten der Hundertmarkscheine. Sie sah sich den Schein an, setzte ein grimmiges Gesicht auf und gab ihn mir zurück. „Der ist falsch“, sagte sie sehr bestimmt und sehr laut. Die korpulente Dame neben mir stieß einen spitzen Schrei aus und rückte einen halben Meter von mir weg. Alle starrten mich an.

„Nie und nimmer ist der falsch“, verteidigte ich mich tapfer, „ich hab‘ ihn gerade von einer Maschine der Deutschen Bundespost bekommen, und Sie wollen doch nicht behaupten, daß die Post...“ - „Is mir janz egal, wo sie den herhaben“, fuhr sie mir übers Maul, „der hat kein Copyright -Zeichen, und die Unterschrift is auch falsch!“ Na, das war'n Ding! Ich sah mir den Blauen noch mal genau an, Metallstreifen, Wasserzeichen, sah alles korrekt aus. Inzwischen war aus dem Fast Food ein Slow Food geworden, denn die Schlange hinter mir hatte Ost-Ausmaße erreicht. „Der is falsch“, kreischte die Kleine, „hier, so sieht ein echter aus.“ Sie zeigte uns einen anderen Hundertmarkschein, und in der Tat, der sah anders aus. Er hatte eine andere Unterschrift, und auf der Rückseite waren das Copyright -Zeichen und die Worte „Deutsche Bundesbank 1962“ zu lesen. Obwohl immer noch nicht überzeugt, gab ich auf. Ich bezahlte mit ein paar Münzen und zog mich mit dem amerikanischen Fraß in eine stille Ecke zurück. Zweifel nagten an meinem ruhigen Gemüt. Sollte es wirklich möglich sein, daß die Post ... und das vielleicht schon seit Jahren...

Als ich mit dem pappigen Fleischbrötchen und den kalten Zwiebelringen fertig war, hatte ich einen Entschluß gefaßt: Geldfälscher kannte ich zwar keine - aber ihre Jäger waren ganz in der Nähe. Dort wurde ich freudig überrascht, denn auf der Wache herrschte 'ne Bombenstimmung. Es wurde gelacht und gebrüllt, mich nahm man überhaupt nicht zur Kenntnis. Als ich aber das Corpus delicti aus der Tasche zog und hochhielt, hatte ich sie. Alle schauten rüber, und vier Mann stürmten auf mich los. Ich erzählte ihnen also meine Geschichte mit dem Geldautomaten und dem amerikanischen Restaurant. Drei schon etwas angegraute Beamte schauten sehr besorgt, drehten und wendeten den Schein und warfen mir schräge Blicke zu. Der vierte aber - er sah aus wie 16 lachte sich scheckig. „Die Geschichte kenn‘ ich“, johlte er, „hatten wir schon öfter hier, alles Blödsinn, die Leute kapieren einfach nicht, daß es verschiedene Ausführungen der Geldscheine gibt.“ Die älteren Beamten ignorierten ihn und steckten meinen Schein in ein kompliziert aussehendes Gerät. Alle beugten sich rüber und fachsimpelten. Das ging so fünf Minuten lang, dann rannte der Jungpolizist hin, zog den Schein aus der Apparatur und gab ihn mir mit den Worten: „Der ist echt, die Leute bei Burger King sind Trottel“ zurück.

Mein Selbstbewußtsein war ins Unermeßliche gewachsen. Ich also wieder rüber zu den US-Klopsebratern. Im hinteren Raum erwischte ich die Geschäftsführerin, eine sehr sympathische Dame. Ich erklärte ihr alles. Sie konnte nur zustimmend nicken - auch ihr war alles klar. Die arme Frau hatte den vollen Durchblick. „Ich kann leider nichts machen“, klagte sie, „die da oben haben die Anweisungen ausgegeben.“

Karl Wegmann

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