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Die neuen Kommunisten vom Kap

■ Die Kommunistische Partei Südafrikas (SACP) wird sich am Sonntag nach 40 Jahren des Verbots mit einer Veranstaltung in Soweto neu gründen / Für Demokratie und Offenheit / Weiter Zusammenarbeit mit dem ANC

Aus Johannesburg Hans Brandt

Joe Slovo, Generalsekretär der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP), erzählte vor kurzem folgenden Witz: Ein polnischer Arbeiter stirbt und kommt in die Hölle. Der Teufel bietet ihm die Wahl zwischen einer sozialistischen und einer kapitalistischen Zelle an. In beiden Zellen steht ein Topf kochenden Öls auf einem lodernden Feuer. „Ich gehe in die sozialistische Zelle“, meint der Pole, „da kann ich sicher sein, daß der Vorrat an Öl bald ausgeht.“ Der Witz beweist, daß Slovo, jahrelang der meistgehaßte Feind der Apartheidregierung, kein roter Teufel, sondern ein netter Mensch ist. Davon konnten sich Tausende von Südafrikanern überzeugen, als der SACP-Führer letzte Woche in einer Radiosendung Dutzenden von Anrufern Rede und Antwort stand.

Aber der Witz bedeutet nicht, daß Slovo seine sozialistischen Ideale aufgegeben hat. Die Diskreditierung kommunistischer Regime in Osteuropa hat ihn und seine Partei allerdings zu einer Neubewertung ihrer Politik gezwungen. Resultat war Slovos Diskussionspapier mit dem Titel „Hat der Sozialismus versagt?“ In dem Papier gibt Slovo zahlreiche Fehler der kommunistischen Parteien des Ostens und seiner eigenen Partei zu. „Die Diktatur des Proletariats bedeutete in der Praxis die Diktatur einer Parteibürokratie“, heißt es da. Slovo kritisiert den Mangel an Demokratie in den Gesellschaften des „real existierenden“ Sozialismus und innerhalb der eigenen Partei. Doch er verteidigt die marxistische Theorie. Sie „liefert eine theoretische Richtlinie für die Schaffung einer Gesellschaft, frei von allen Formen der Ausbeutung“, meint er.

Trotz ihrer sozialistischen Ziele unterstützt die SACP ein Mehrparteiensystem. „Es ist legitim und wünschenswert, daß eine Partei, die als Instrument der Arbeiterklasse auftritt, am demokratischen Kampf um politische Macht teilnimmt.“ Um diesen „demokratischen Kampf“ aufzunehmen, wird die SACP am Sonntag bei einer Großversammlung in Soweto öffentlich als Partei neu gegründet. Zu dem Zweck hat die Partei sich das größte Stadion in Soweto ausgesucht. Trotz aller Diskussionen über den Sturz des Kommunismus in Osteuropa hat die Anziehungskraft kommunistischer und sozialistischer Politik für Tausende von Schwarzen in Südafrika nicht nachgelassen. Slovo hofft auf 30.000 SACP-Mitglieder innerhalb eines Jahres.

1921 gegründet, mußte die SACP seit ihrem Verbot 1950 im Untergrund arbeiten. SACP-Mitglieder waren im Afrikanischen Nationalkongreß (ANC), im Gewerkschaftsverband Cosatu und in zahlreichen anderen Oppositionsgruppen aktiv. Doch nur die wichtigsten Führer der Partei wurden öffentlich identifiziert, so daß der Partei immer wieder vorgeworfen wurde, als Geheimorganisation andere Gruppen kontrollieren zu wollen. Am Sonntag nun soll eine 24köpfige interne Führungsgruppe öffentlich vorgestellt werden. Teile der Partei werden aber weiter im Untergrund arbeiten. „Wir sind noch nicht überzeugt, daß der (Verhandlungs-)Prozeß nicht mehr umkehrbar ist“, sagte Slovo diese Woche. „Es wäre dumm, Untergrundstrukturen vollkommen aufzugeben.“

Die Neugründung der SACP gibt ihr erstmals ein deutlich vom ANC getrenntes, eigenes Profil. ANC- und SACP-Sprecher betonen jedoch, daß die Zusammenarbeit andauern soll. „Die Mehrheit der SACP-Mitglieder wird ihre Parteiarbeit weiter im ANC, in den Gewerkschaften und anderswo verrichten“, heißt es in einer Sonderausgabe des SACP-Blattes 'Umsebenzi‘ („Der Arbeiter“).

Die Regierung gibt offen zu, daß sie SACP und ANC trennen will. „Die Zeit ist reif, daß der ANC den unterschwelligen Einfluß dieser ideologisch anachronistischen Organisation auf seine Entscheidungen abschafft“, meinte Renier Schoeman, Informationsdirektor der regierenden Nationalen Partei, diese Woche. Gewerkschafter sprechen andererseits schon seit langem von der Notwendigkeit einer „Partei der Arbeiter“. Doch die SACP verurteilte lange Gewerkschaftsarbeit auf der Grundlage von Apartheidgesetzen. Diese Kritik hat inzwischen nachgelassen, und es wird erwartet, daß führende Cosatu -Funktionäre am Sonntag als SACP-Führer vorgestellt werden. Slovo und seine Partei betonen, daß sie die autoritären Denkmuster ihrer stalinistischen Vergangenheit abgelegt haben. Dennoch werden viele Unterstützer abwarten, ob es die SACP mit Demokratie und Offenheit tatsächlich ernst meint.

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