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Grober Unfug im trüben Abenddunst

■ Hertha BSC unterlag im Olympiastadion dem dreist aufspielenden FC Chemnitz mit 2:3 (1:2)

Zum Glück war es nur ein Freundschaftsspiel. Oder vielleicht war dies auch kein Glück. Oder die Niederlage gegen den DDR -Vizemeister FC Chemnitz bringt den Herthanern Glück in der Bundesliga, wenn bedacht wird, daß vor Beginn der hervorragenden Rückrunde dieses Jahr eine klare Niederlage im Testspiel gegen Bayern München stand.

Ja, ja, es darf wieder spekuliert und gerätselt werden. Das Freundschaftsspiel am Samstag im trüben Abenddunst gegen die Chemnitzer brachte die Erleuchtung jedenfalls noch nicht. Höchstens für Trainer Werner Fuchs, der „wichtige Erkenntnisse“ gewann, nämlich, daß er seinen Spielern noch so manchen groben Unfug austreiben muß bis zum Punktspielstart am 9. August.

Wobei nicht allzu dolle gelästert werden sollte. Schließlich hatten die Herthaner drei Wochen schweres Aufbau - und Konditionstraining hinter sich, und dementsprechend schlapp schlichen sie gegen Ende des Spiels über den aufgefrischten Rasen des Olympiastadions. Diese Schlappheit allerdings sollte die Spielfreude nicht hemmen, im Gegenteil. Beim ersten Saisonauftritt vor heimischem Publikum - immerhin kamen 3.187 BesucherInnen - hatten die Berliner richtig Lust, hübsche Spielchen mit dem Ball anzustellen, aber zum einen fehlte halt die so schön benannte körperliche und geistige Frische, zum anderen brach vor lauter Freude am Spiel die F-Jugend-Mentalität durch, und so war es schon lustig, mit anzusehen, daß wie bei einem blau und weiß gekleideten Heuschreckenschwarm die Spieler im Pulk dem Ball hinterherpesten.

Für Sturm und Mittelfeld war das schon angemessen, daß aber auch die Abwehr komplett mit von der Partie war beim munteren Offensivgedaddel, fand wiederum der Trainer gar nicht komisch. Einmal wegen der drei Gegentore, die allesamt durch diese Situation ausnutzende Konter fielen, und dann wegen der Disziplinlosigkeit, die nicht nach Fuchsens Gusto war.

Büßen mußte dafür Vorstopper Halvorsen, der sich selbst erfolglos wechselweise als Torjäger und Spielgestalter testete, seine Abwehraufgaben völlig vergaß und deshalb schnell ausgewechselt wurde. Von den alten Stammspielern des letzten Jahres machten Gries und Patzke den besten Eindruck. Ersterer wetzte, wie gewohnt, wie ein Irrer über den Platz, rackerte und wurschtelte und hatte sogar noch genügend Kraft, sich mit ganzem Körper über vergebene Chancen zu ärgern. Patzke hingegen schlug wie gehabt flockig-leicht seine Pässe aus dem Fußgelenk und glänzte mit prima Ideen im Spielaufbau.

Von den Neuen fiel am meisten Uwe Rahn auf, nicht nur, weil er als einziger im für diese Jahreszeit so unvorteilhaften Käseweiß aus dem Urlaub zurückgekehrt war, sondern weil er auch oft am Ball war und dabei immerhin schon ein wenig zeigte, daß er mal ein Klassespieler gewesen ist. Norbert Schlegel, aus dem schönen Saarbrücken nach Berlin gekommen, hielt sich noch arg zurück, ebenso wie Mark Farrinton, der aber immerhin die Vorlage zum zweiten Berliner Tor gab.

Ach ja, die Chemnitzer. Natürlich haben die Herthaner nicht nur verloren, weil sie so schlapp und kasperig waren, nein, nein, der FCC wollte den Konkurrenten der allerletzten Oberligasaison schon mal zeigen, daß er nicht umsonst zu den Favoriten für den Titel zählt. Was wohl als hauptsächlichen Grund hat, daß die Mannschaft nicht ausverkauft wurde wie die in Dresden und beim FC Berlin, und vielleicht sogar noch zwei starke Spieler aus Kamerun und Ungarn verpflichtet werden können.

Diesen Vorteil der aus der Kontinuität entstandenen Harmonie im Spiel nutzten die Gäste aus, brachten die Berliner durch pfiffige Konter arg in Verlegenheit und dominierten das Mittelfeldspiel. Hans Meyer, Trainer des FCC, der gerne ausführlich spricht und dies immer mit einem Schalk auf der Zunge tut, wünschte sich, daß auch andere Mannschaften seinem Team so viel Platz ließen wie die Herthaner es taten. Er meckerte nur über die Abwehr, welche die Hertha-Stürmer schlampig abschirmte, weswegen Verteidiger Jakobs und Mittelfeldmensch Gries die Berliner Tore erzielen konnten.

Nach all den weniger erfreulichen Bemerkungen über den momentanen Zustand der Herthaner sollte kein Fußballfan Kopf, Mütze, Fahne, Wimpel oder was weiß ich hängen lassen. Die Saison ist schließlich noch lang.

Schmiernik

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