Havelchaussee: Augen zu und durch

■ Viele Autofahrer mißachten das Fahrverbot auf der Havelchaussee / taz machte gestern eine Stichprobe: besonders stark vertreten sind BMW-Fahrer / Umweltverwaltung wünscht schärfere Kontrollen der Polizei, aber die hat andere Prioritäten

Zehlendorf/Wilmersdorf. Gestern nachmittag, zwischen 15 und 15.30 Uhr auf der Havelchaussee. Fast jede Minute braust ein Auto durch den für den Kraftverkehr gesperrten Abschnitt. Innerhalb von 30 Minuten zählt die taz - außer den Bussen und Taxis, für die das Verbot nicht gilt - zwei Motorräder und 21 Autos. Darüberhinaus parken im südlichen Abschnitt der Sperrzone weitere 21 Wagen verbotenerweise am Straßenrand, im Norden sind es drei, die vom überfüllten Parkplatz an der Lieper Bucht hierher ausgewichen sind. Am 6. April wurde die Sperrung verhängt - nimmt sie überhaupt noch irgendjemand ernst?

Die Lenkerin eines Oldenburger Nissans hat die Schilder schlicht übersehen: „Oh, Scheiße“, sagt sie ehrlich zerknirscht. Stefan Schmittutz von der Imbißbude an der Lieper Bucht erlebt es öfters, daß westdeutsche Autofahrer von den Verbotstafeln überrascht werden. „Die suchen von Spandau den kürzesten Weg nach Dreilinden. Und wenn sie dann hier stehen und mich fragen, dann gebe ich die sachgemäße Auskunft, daß es von hier aus nur vier Kilometer bis zum Übergang sind. Die überlegen sich natürlich, ob sie die Umwelt nicht mehr schonen, wenn sie durchfahren, statt daß sie einen großen Bogen durch die Stadt machen.“

Doch der BMW mit dem Münchner Kennzeichen ist nicht der einzige seines Fabrikats, der das Verbotsschild souverän übersieht. Sechs weitere der Edelkutschen mit Berliner Kennzeichen donnern innerhalb der 30 Minuten zwischen 15 und 15.30 Uhr ohne Zögern über den gesperrten Straßenabschnitt und sorgen dafür, daß ihre Marke auf der Liste der schwarzen Schafe deutlich überrepräsentiert ist. Die Bayerischen Motorenwerke haben ihre Fahrzeuge offensichtlich schon ab Werk mit einer besonderen Sichtblende gegen rot-grüne Schikanen versehen.

Der Typ „Porschefahrer-mit-ärmellosem-T-Shirt“ sei unter den Blockadebrechern besonders stark vertreten, hat auch Günther Drobisch von der Senatsumweltverwaltung beobachtet. Die Motive der PS-Protze lassen sich freilich nicht ermitteln - sie fahren einfach zu schnell, als daß sie interviewt werden könnten. Zwei junge Frauen, die in einem weinroten Golf die Piste entlangschleichen, haben die unauffälligen Schilder dagegen schlicht übersehen und drehen mit schlechtem Gewissen wieder um. Einfach zu erkennen ist es wirklich nicht, wo die Sperrzone beginnt.

Die Schilder seien „etwas unglücklich aufgestellt“, räumt Drobisch ein. Schranken könnten die Behörden nicht aufstellen, solange die Busse der BVG noch durch den gesperrten Abschnitt fahren dürfen. Erst müßten die Parkplätze an den Endpunkten als Wendestellen ausgebaut werden. Bis das soweit ist, würde sich die Senatsumweltverwaltung wenigstens schärfere Polizeikontrollen wünschen. „Da geschnappt zu werden, ist kein großes Risiko“, glaubt Drobisch. Mit den 40 Mark Bußgeld, die höchstens drohen, ist es überdies billiger als Schwarzfahren. Polizeisprecher Müller weist die Kritik der Umweltbeamten trotzdem zurück. Eine „lückenlose Überprüfung“ sei einfach nicht möglich. Die Streifen der zwei zuständigen Abschnitte würden durchaus öfter die Chaussee inspizieren, aber für die Westberliner Polizei insgesamt gebe es nun mal „gewisse Prioritäten“. Die Havelchaussee, räumt Müller freimütig ein, die gehöre da nicht dazu.

Die „ganz, ganz überwiegende Mehrheit“ der Autofahrer respektiere das Fahrverbot, beruhigt sich auch Drobisch. Ähnliches hat man auch im Haus von Verkehrssenator Wagner beobachtet. Immerhin waren es früher an schönen Sommertagen bis zu 10.000 Autos, die über die Chaussee rollten. Neben der Öffnung der Grenzen, die die Ausflügler ins Umland lockte, habe die Sperrung einiges zur Verkehrsberuhigung beigetragen - das hat auch Stefan Schmittutz zu seinem Leidwesen feststellen müssen. Früher hätten sie zu zweit oder sogar zu dritt bedienen müssen, erinnert sich der Imbißmann. Heute sei die Arbeit alleine zu schaffen.

hmt