Ein bißchen Fasten gegen die Fristenregelung

■ Lebensschützer-Union protestiert vor der Volkskammer / „Hungerstreik für das Leben“

Mitte. Ein leidensfähiges Häuflein hat sich da in glühender Hitze vor der Volkskammer zusammengefunden: Seit vier Tagen fasten sie, die Mitglieder der Lebensschützer -Union aus Ost und West, nähren sich allein vom Anblick der Mutter-Teresa-Bildchen und der Hochglanzbroschüren aus dem Bonner Familienministerium: glückliche Schwangere und blonde Babys. „Hungerstreik für das Leben“ nennen sie ihre Aktion und weil ein leerer Magen dem Leben nicht besonders zuträglich ist, will man das Hungern rechtzeitig wieder abbrechen.

Mit missionarischem Eifer ist aus dem Westen die Organisation Alfa (Aktion Lebensrecht für alle e.V.) angerückt. Als überkonfessionell und politisch unabhängig stellen sich ihre Mitglieder gerne dar. Unter der Dachorganisation Alfa verbirgt sich unter anderem aus dem rechten Spektrum die „Bürgerinitiative für Recht und Ordnung“. Aus dem Osten hat sich ein Verein namens KALEB (Kooperative Arbeit Leben ehrfürchtig bewahren) dazugesellt, nach eigenen Angaben „aus der Kirchenarbeit“ hervorgegangen. „Herr, bewege viele Menschen, Deinem Ruf zu folgen, ungeborene Kinder zu schützen“, ist auf ihren Flugblättern zu lesen.

Das „Aufklärungs„-Material über die Verwerflichkeit der Abtreibung reicht von besagten Hochglanzbroschüren bis zum silbernen Anstecker, der den Fuß eines Fötus im zwölften Schwangerschaftsmonat darstellen soll. Besonders in der in Sachen Abtrreibung liberaleren DDR wittern die Alfa-Jünger besonderen Aufklärungsbedarf. Entsprechend genervt reagieren Ostberliner Frauen auf die westliche Arroganz gepaart mit reaktionären Inhalten.

KALEB wiederum rüstet sich gegen den drohenden Import „verkommener Grundwerte“ aus dem Westen. Vor allem die Frauen in der BRD, die sich „wegen der Karriere“ weigern, in jungen Jahren Kinder zu kriegen, sind den „Lebensschützern“ aus dem Osten ein Dorn im Auge. Druck auf Frauen wolle man nun keineswegs ausüben, deshalb verzichte man auch auf die Abbildung „zerstückelter Föten“. Im Prinzip geht es nämlich um die Emanzipation - die der Männer natürlich: „Wir fordern mehr Mitentscheidungsrecht für Väter, Partner und Ärzte.“

Annette Weber