: Keiner weiß Bescheid
■ Wohin mit der Lohnsteuer und den Sozialabgaben?
MIT DEM DDR-FISKUS AUF DU UND DU
Nach dem zügigen politischen Akt der Übernahme des bundesdeutschen Steuer- und Sozialabgabensystems durch die DDR stößt der unternehmerische Alltag nun auf das zähe Gedeihen der behördlichen Infrastruktur. Wie im 'Platow Brief‘ von gestern zu lesen ist, fragen sich bundesdeutsche Unternehmen, die bereits in der DDR Betriebe unterhalten, einen Monat nach Beginn der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, wohin sie in der DDR die Lohnsteuer und Sozialabgaben der Belegschaft überweisen sollen.
Während im Westen die Abzüge vom Bruttolohn routinemäßig im Folgemonat an das zuständige Finanzamt und die Krankenkassen gehen, konnte Hans Schmidt, Direktor der Frankfurter Baufirma Wayss & Freytag, in Dresden lediglich in Erfahrung bringen, daß die Finanzämter erst zum Jahresende ihren Dienst aufnehmen werden. Derweil verfahren die West-Firmen recht individuell. Das Bauunternehmen ermittelt die Beträge nach West-Recht und überweist erst mal alles an den jeweiligen Rat der Stadt, Abteilung Finanzen, weil diese die Steuer- und Sozialversicherungnummern zugeteilt hatte.
Auch die Allianz, die mit ihrer Mehrheit an der Deutschen Versicherungs AG immerhin 11.000 Beschäftigte in der DDR hat, überweist erst mal an die Räte. Die Commerzbank errechnet die Beiträge an ihren 60 Standorten noch nach DDR -Recht.
„Ein sogenanntes Patensystem“ hat die Schenker-Spedition entwickelt, wie der Personalchef, Joachim Schroten, dem 'Platow Brief‘ erklärte. Alle in der DDR Beschäftigten zählen dabei zur West-Niederlassung und befinden östlich der Elbe formal auf Dienstreise. Die Abgaben fallen so in der Bundesrepublik an und entgehen dem DDR-Fiskus.
kasch
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen