: US-Farmer hoffen auf neue Geschäfte
■ Noch ist unklar, ob Moskau Kredite für vereinbarte oder zusätzliche Getreideeinkäufe benötigt
Ob das Moskauer Begehren um einen Kredit in Höhe von zwei Milliarden Dollar zur Bezahlung von Getreideimporten aus den USA eine schlechte oder eine gute Nachricht für die amerikanischen Farmer ist, ist noch nicht ausgemacht. Denn auch aus den ersten Meldungen ging nicht hervor, ob Moskau den Kredit für die Bezahlung bereits mit Washington vereinbarter Getreidekäufe oder für den Ankauf zusätzlicher Mengen benötigt. Im ersten Fall könnten die sowjetischen Zahlungsschwierigkeiten zu Verzögerungen bei der Ausführung des jüngsten Getreideabkommens und damit - zumindest vorläufig - zu geringeren Einnahmen für die US -Agrarindustrie führen, als erhofft. Beim Gipfel in Washington Anfang Juni hatten Bush und Gorbatschow einen Vertrag über die Lieferung von mindestens 50 Millionen Tonnen US-Weizen in den nächsten fünf Jahren vereinbart zum Weltmarktpreis, versteht sich. Das sind fünf Millionen Tonnen mehr als im derzeit auslaufenden Abkommen.
Die Unterzeichnung war ein großer Erfolg für die Lobby der US-Farmer. Sie wäre fast an denselben Einwänden gescheitert, die Bush veranlaßten, seinerseits die US -Meistbegünstigungsklausel für den Handel mit der UdSSR nicht zu gewähren und auch das von ihm und Gorbatschow unterzeichnete allgemeine Handelsabkommen dem US-Kongreß noch nicht zur Ratifizierung zuzuleiten. Beides soll erst geschehen, wenn das Parlament in Moskau den seit geraumer Zeit von der Regierung praktizierten liberaleren Auswanderungsbestimmungen für Juden Gesetzeskraft verliehen hat. Beim Treffen der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten Mitte Juli in Houston wie beim Nato-Gipfel in London sträubte sich Bush gegen direkte Wirtschafts- und Finanzhilfen an Moskau zum jetzigen Zeitpunkt und verhinderte ein gemeinsames Vorgehen in dieser Frage. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob Washington einen neuen Kredit in kurzer Frist gewähren wird, zumal er eine Veränderung der im Gipfelabkommen festgelegten Zahlungsmodalitäten erfordern würde.
Braucht Moskau das Geld jedoch für zusätzliche Getreidekäufe, stehen die Chancen für eine Kreditgewährung besser. Für die meisten US-Farmer würden sie eine weitere Verbesserung ihrer in den ersten zwei Dritteln der 80er Jahre katastrophalen Lage bedeuten; für die sich mit Blick auf die Zwischenwahlen im November derzeit verschärfende Debatte um ein bis dahin vom US-Kongreß zu verabschiedendes neues Gesetz über Farmbeihilfen, Agrarpreise und -exporte sowie des rapide gesunkenen Dollarwertes auf den internationalen Märkten erheblich stabilisiert. Doch das Beihilfensystem, von dem vor allem große Farmen profitieren und das die Monokulturisierung der US-Landwirtschaft fördert, ist heftig umstritten: zwischen Demokraten und Republikanern wie zwischen EG, Japan und zahlreichen Staaten der Dritten Welt im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) über den Abbau von Agrarsubventionen, in dem die US-Regierung - wie die EG-Kommission in Brüssel bislang eine Gefangene der Agrarlobby ist. Auch für diese Auseinandersetzung könnten erhöhte US-Exporte zumindest vorübergehend Entspannung bedeuten.
Andreas Zumach
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