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„harte worte schiefe bilder“

■ Fundstücke: aus SLAM NAM, Compendium veröffentlicher unöffentlicher Künste

Was da viele schrieben und irgendwo versteckten oder vergaßen, in SLAM NAM ist es veröffenlicht. Die LiebhaberInnen des Versteckten und Verdeckten, die das aus ander Leut Schubladen zauberten, sind selbst so heimlich, daß sie nicht mal als Herausgeber auftreten.

Nur vorne im neuesten SLAM NAM klebt eine kleine Kontaktadresse. Drei Hefte sollen schon erschienen sein, ab 1983 jedes Jahr eins. Das, was für eigentlich für niemanden geschrieben ist, hier ist es öffentlich. Aber wer liest das schon?

Also ich. Lese einfach mal nach Interesse. Fange an bei der ersten Zeile: die angst-aussagen waren körperlich summend. mein rückzieher! Meiner auch. Angst kommt viel vor in dem Din-A-großen Heft. Bestimmt ist sie und die Einsamkeit und überhaupt des Lebens unpäßliche Seite häufigster Schreibanlaß.

Aber mit aussagen an der Angst dran und dann noch summend, da reicht eine Zeile. Und bei Anfängen wie langatmende Gedanken quälen sich durch kopf, oder: es ist irgendwas im bauch - etwas heißes großes krampfverbreitendes etwa in der magengegend..., oder einfach: ein bedrückender Tag... auch.

Auf diese Weise ergibt sich schnell einen Überblick über die Welt, die ich meide. Sie besteht aus: Erstens Sektion Angst, Hirn, Gedärm. Zweitens und etwas abnehmend vertreten, die Sektion ewig-gültig-Kritisches. Beispiel: Konsum-Kotfressende Maden / hocken im Arschloch der Welt,/ Da sind der Wohnungen viele. / Mercedes-Kolonnen bedecken die alternde Haut / aufgerissener Straßen ...

Drittens die Sektion Philo-Psychologeme, sehr reichhaltig: also: das substantielle element der abendländischen Kultur ist auswechselbar in der anordnung, als auch in den substantiellen elemen

ten. hat etwas überhaupt noch zu keiner zeit in dieser form stattgefunden?

Damit eng liiert und erstaunlich stark vertreten die Sektion „Die Bibel, nachgesungen“: hört gott / euer Schicksal ist gott...“ Zwei Zeilen für vieleviele.

Nach Abzug all dieses geballten Elends und Trostes wird der Band sehr übersichtlich. Aus dem Rest stelle ich drei Lieblinge vor: Auf Platz drei :LIEBER MATHIAS, gehabe dich wohl /trage unzucht zur schau / mach's dir nicht zu schwer, baby / zähne können auch schief

stehen...Trennung und schiefe Zähne, das tut gut. Und weiter:schmerz und scherz sind faktoren von macht / sie geben dir rechte / keine falsche bewegung! / pass auf, was du von dir gibst / verbal wie auch ... /ohne dir nahe treten zu wollen / ist eine these dir lieber als ein taxi ? / komplikationen besser als flucht? / oder bleibt man gerade beim letzteren am ball?

Am Ball vielleicht schon.

Auf Platz zwei: Aus dem „arabischen Rätsel“ über „die unterschiede zwischen proletarier & künstler“, Punkt Vier: Künstler &

Bonbons. der künstler verabscheut sie, der proletarier ißt sie, weil sie süß sind.

Auf dem ersten Platz (volle Länge): Ohne Titel:derbe Witze ohne ulk, charme, tiefe / blitze zwischen menschen, grell, schnell / du mir, ich dir / träge tage, steife brise / harte worte, schiefe bilder / bunte Lichter, dumme sprüche / fieses grinsen, kalte verachtung / warme speisen, rotes fleisch / volles fell, armes tier / strenge blicke, trautes lächeln / stiller wein, toter geist / kurzer schritt, kleines ziel / heiße luft, müdes gehen / sengt die augen, wilder drang / schmalerschein, blinderschlaf, blinderschlaf, blindesschaf.

Uta Stolle

Kontakt: H.C. Küchelmann, Am Waller See 18, Bremen. Preis: 10 DM + Versand

Anm. der Red.: Wir hätten die AutorInnen von Bildern und Texten gern genannt, allein es war nicht herauszukriegen, wer was gemacht hat.

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