: Unverhoffter, unbedenklicher Verlauf
■ Elke Lixfeld in der Galerie Giesler und im Cafe Mora
Elke Lixfelds Malerei wurde in den achtziger Jahren oft und sympathisierend mit regressiven Bewegungen in Beziehung gebracht und gleichzeitig mit emanzipatorischen Bestrebungen der Frauenbewegung zusammen gesehen. Sie bekam von ihren Sympathisanten und Fürsprecherinnen die Kennmarke „authentisch“ angeheftet und hat manche zu Begeisterungsstürmen hingerissen: „Malerei einer Schamanin“ oder als „Übung im Unterleib“, „sakrale Zeremonie“. Und wo der Geniebegriff so huldvoll in Szene gesetzt wird, werden auch Dreieck, Kreis und Kreuz nicht als geometrische Zeichen, sondern als Symbole gelesen. Ein Dreieck wird zum Zeichen für Weiblichkeit, das Kreuz zur Grundform menschlicher Gestalt. Damit wäre die Leseanweisung der Bilder gegeben und die Malerei eine eindeutige Sinnvermittlerin. „Weiblicher Mensch sein ist der Inhalt ihrer Malerei“, hieß es, und „die Rolle der Frau als Führerin zu Erkenntnis des Ziels wie des Ursprungs will sie wahrnehmen.“ Die achtziger Jahre wollten eine Botschaft identifizieren. Und vielleicht hatten sie recht. Mittlerweile haben verschiedene öffentliche Sammlungen ihre Bilder im Archiv und an den Wänden, in den Galerien Giesler und Mora wird sie ausgestellt. Was ist zu sehen?
Elke Lixfeld bildet keine Frauen und keine Männer ab. Sie malt Figuren - mit schnellem Strich in hellen Farben. Oft genügen Tupfer, Andeutungen. Nirgends ist eine ausformulierte menschliche Gestalt zu sehen. Nie malt sie einen dreidimensionalen Raum, in den sie dann die Figuren stellt. Raum ergibt sich, wenn überhaupt, durch sich überlagernde Farbschichten, in denen die Figuren im Irgendwo, traumhaft, vage erscheinen. Aber immer ist es die eine, die wiedererkennbare Figur, die Lixfeld wie ein Signet kultiviert. Diese Figur ist ebenso eine Konstante ihrer Malerei wie das Strichmännchen bei Penck oder das monströse Modemannequin bei Elvira Bach. Aber im Unterschied zu Bach faßt sie ihre Figur nicht zeichnerisch und vom Malgrund eindeutig geschieden, sondern malerisch, immer bewegt, nie eindeutig fixiert, in ihren Grenzen undeutlich. Bach zitiert eine starke Frau, eine moderne Amazone, steckt ihr eine Zigarette zwischen die grell geschminkten Lippen, zieht ihr Stöckelschuhe an und malt ihren Schal als Schlange: knallharte Grandezza. Der Referent ist ein Männerblick. Nichts davon bei Lixfeld. Sie zitiert keine mythische Figur im modischen Outfit. Die Figuren kommen aus der reinen Bewegung, entstehen aus dem wirren Wirbel von Farbklecksen, Spritzern, Flecken und präziser Strichführung. Sie haben etwas von japanischer Zen-Malerei. Konzentration auf eine punktuelle Perspektive; mit einem Wurf vollendet. Keine explodierende Farbkaskade. Sollte der Wurf mißlingen, neues Blatt. Korrekturen sind unmöglich; Zufügungen aber können gesetzt werden.
Immer ist eine gewisse Luft um die Figuren, eine Umgebung, eine durch Farben und Gestus im Strich bestimmte Atmosphäre. Figur und Umgebung sind konvergent, ohne daß das eine vom anderen präzise geschieden werden kann. Unmöglich, die Figur aus dem Bild zu lösen. Sie bewahren ihre Kraft nur mit und in der Umgebung. Dieser Zwischenbereich - Distanz und Verbindung in eins - ist manchmal weit, manchmal wie ein Hauch, aber immer ein Kraftfeld, das die Figuren dynamisiert und einem umstandslosen Zugriff entzieht.
Die Titel nennen fast alle mythische Geschichte oder mythische Figuren oder Städte, die zum Mythos geworden sind. Und es scheint, als gehe sie in der Zeit zurück, aber ohne sich zu erinnern. Sappho und die Engel und Kassandra sind gegenwärtig, weil sie außerhalb der Zeit, ungeschichtlich aufgefaßt werden. Sie werden nicht zitiert, nicht revitalisiert, nicht willentlich aus dem Gedächtnis abgerufen. Um Gertrude Stein zu paraphrasieren: „Also wenn wir malen, malen wir; und diese Dinge, die wir wissen, fließen unseren Arm hinunter und werden auf dem Papier sichtbar. Noch bevor wir sie malten, wußten wir eigentlich nicht, daß wir sie wissen; wenn sie in unserem Kopf als Wörter geformt sind, dann ist das ganz falsch, und sie werden tot herauskommen; aber wenn wir bis zum Augenblick des Malens nicht wußten, daß wir sie wissen, dann kommen sie mit schockartiger Überraschung zu uns. Das ist der Augenblick des Erkennens!“
Das Denken des Körpers in der Bewegung des Malens überläßt sich ganz dem Medium und seinen formalästhetischen Bedingungen. Je entdeckerischer das Gespür, je konzentrierter oder lässiger oder unbedenklicher der Verlauf, desto unerwarteter, was sichtbar wird. Diese unverhoffte Malerei riskiert, zur Masche zu werden und Stereotypen zu produzieren oder auszulaugen und kraftlos zu werden. Unabsichtliches kann nicht simuliert werden, es sei denn als Flirt oder Koketterie.
Elke Lixfeld arbeitet in einem schnellen Medium. Tafelbilder sind prompt herstellbar, reproduzierbar, verkäuflich. Ein konservatives und immer zeitgemäßes marktorientiertes Medium. Lixfeld stellt die Repräsentationsweise der Ausstellung nicht in Frage. Das ist kühn, vor allem wenn die Bilder so präsentiert werden, als habe ein Blinder die Hängung organisiert. Aber die Bilder sind tatsächlich stark genug, diesen kapitalen Patzer zu überstehen. Und es geht ja weder um eine „sakrale Zeremonie“ noch um „die Rolle der Frau als Führerin“, sondern um an und abwesende Blicke. „Die Debatte der Weiblichkeit“, schreibt Sigrid Schade, spiele sich in einem Cafe oder Galerieraum ab, „der nicht zu erkennen gibt, wo Raum, Wand oder Bild anfangen und aufhören“.
Peter Herbstreuth
Elke Lixfeld. Galerie Manfred Giesler, Großbeerenstraße 56f, Berlin 61. Mi. bis So. von 15 bis 18 Uhr, bis 19.8.
Galerie-Cafe Mora, Großbeerenstraße 57a, Berlin 61. Täglich von 11 bis 1 Uhr, bis 12.9.
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