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Ausverkauf des Warschauer Paktes

■ Der schwunghafte Handel mit Mauer- und Militärresten am Brandenburger Tor ist der Polizei zunehmend ein Dorn im Auge / Bei Razzien wird Geld und Ware beschlagnahmt / Wer nicht rennt, riskiert einen Besuch auf dem Revier am Alex

Ost- und West-Berlin. Das Motorengeräusch eines Lasters oder schon der Anblick eines Lasters aus der Ferne reichen aus: „Einpacken, es geht los“, schreit der erste Händler vor dem Reichstag. Hastig werden Orden, Helme, Uniformjacken und die in Plastik verpackten Mauerstücke zusammengerafft. Spurtschnelligkeit ist angesagt. Wer zu langsam reagiert, riskiert erwischt zu werden: Von den Lastern springen Vopos, werfen Tapetentische und Ware auf die Ladeflächen und greifen sich den einen oder anderen Händler ab. So geschehen Dienstag morgen.

Zusammen mit mehreren anderen Verkäufern wurde der 16jährige Cihan aus West-Berlin auf das Polizeirevier am Alexanderplatz gebracht, dort „bis auf die Unterhose“ durchsucht. Die Gewerbeaufsicht nahm ihm gegen Quittung 500 DM ab, weil er, entgegen der entsprechenden Verordnung, „ambulanten Handel“ betrieben habe. Er jedoch, so beteuert Cihan, habe eindeutig auf Westberliner Gelände gestanden. Auch die Ware wurde einbehalten - „Verkaufswert mindestens 700 DM“, murmelt Cihan zerknirscht. Nach einer halben Stunde ließ die Volkspolizei ihn wieder laufen.

Seit zwei Wochen, so die Angaben der betroffenen Händler, hätte sich die Gangart der Volkspolizei verschärft. Strafgelder werden verhängt und die Waren beschlagnahmt. Auch auf Westberliner Seite wird häufiger zugeschlagen. „Jetzt sind sie mit dem Polenmarkt fertig, jetzt terrorisieren sie uns“, erklärt Johannes, dessen Verkaufsstand außer Orden und Mützen auch die „Geschichte der SED“ in Buchform zu bieten hat. Um eine Standgenehmigung kämpft er seit Wochen - bis zu Mompers Vorzimmer sei er schon vorgedrungen. Ein paar Tage später hatte er die Genehmigung für einen Bauchladen in der Hand - nur dafür ist das Angebot aus Mauerstücken, Soldatenhelmen und sozialistischer Literatur etwas zu schwer.

Seit der Maueröffnung läuft der schwunghafte Handel auf dem Grenzstreifen mit allem, was die Armeen des Warschauer Paktes in Sachen Outfit je zu bieten hatten. Pelz- und Offiziersmützen, Pistolenhalfter, Stahlhelme und - für den, der's mag - ganze Uniformen. Die Devotionalien und Uniformstücke sowjetischer Herkunft werden nach Auskunft der West- und Ostberliner Händler von Offizieren der Roten Armee höchstselbst abgeliefert. „Manche kommen mit einem Laster voller Offiziersmützen“, so ein Händler, der die Hüte für 30 DM an Touristen aus aller Herren und Damen Länder weiterverkauft. Mit 10 bis 15 DM pro Stück müssen sich die sowjetischen Verkäufer zufrieden geben.

Fein raus ist der Besitzer des Eiswagen zwischen Brandenburger Tor und Reichstag. Er verkauft legal - und zwar auf dem Territorium der DDR, genau 3,65 Meter vom Westberliner Bürgersteig entfernt. Nachdem das Bezirksamt Tiergarten das Ersuchen des Eisverkäufers auf eine Standgenehmigung abgelehnt hatte, wandte sich der Mann an den Bezirk Berlin-Mitte und bekam prompt die ersehnte Erlaubnis. Das Geschäft bei 30 Grad im Schatten läuft bestens - nicht zuletzt dank der Mützen- und Mauerverkäufer. „Die locken die Touristen an - seit die Mauer weg ist, gibt's hier doch sonst nichts zu sehen.“

anb

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