: „Ich mag keine Unruhen...“
■ Didymus Mutasa, Minister und fünfter Mann in der Regierungshierarchie Zimbabwes, plädiert für ein Einparteiensystem und ist deshalb umstritten
INTERVIEW
Ungeachtet der Umbrüche in Osteuropa und in einer Reihe afrikanischer Länder (jüngstes Beispiel Mozambik), verfolgt Zimbabwes Präsident Robert Mugabe weiterhin seinen eigenen Weg - hin zum Einparteienstaat. Der Frontstaat zu Südafrika wurde erst vor zehn Jahren nach langem Kampf gegen die von Südafrika unterstützten rhodesischen Truppen unabhängig. Seit kurzem hat sich die Diskussion in Zimbabwe über das von der Regierungspartei ZANU-PF propagierte Einparteiensystem zugespitzt. Weshalb seine Regierung den Einparteienstaat anstrebt, erklärt der Minister für politische Angelegenheiten, Didymus Mutasa.
taz: Wird der Wandel in Südafrika Auswirkungen auf das Bestreben Ihrer Regierung haben, Zimbabwe zu einem Einparteienstaat zu machen?
Didymus Mutasa: Ich glaube nicht, daß das, was jetzt in Südafrika passiert, sich unbedingt auf die interne Politik Zimbabwes auswirken wird. Wir haben das Einparteiensystem nicht als Antwort auf die Situation in Südafrika gewählt, sondern weil es uns am geeignetsten für die Situation in Zimbabwe erscheint. Immer wieder fragen Leute, ob wir nicht mitbekommen, was in Osteuropa passiert. Natürlich sehen wir das. Wir sehen aber auch, daß das in Osteuropa passiert und nicht in Zimbabwe. Die Ausgestaltung des Sozialismus ist in Osteuropa notwendigerweise anders als in Zimbabwe. Was passiert denn wirklich in Osteuropa? Das Ergebnis der dortigen Entwicklung steht doch noch nicht fest. Ich glaube nicht, daß der Kommunismus völlig am Ende ist. Vielmehr wird sich der Charakter des Kommunismus ändern. Vielleicht ist es wichtig, daß der Kommunismus zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Niederlage einstecken muß, aber doch nur, um daraus gestärkt hervorzugehen. Das ist das Schicksal jeder jungen Ideologie. Das war schon mit dem Christentum so.
Warum ist der Einparteienstaat denn so wichtig für Zimbabwe?
Gewalt. Schauen Sie sich die Geschichte all der afrikanischen Länder an, in denen es Mehrparteiensysteme gab. Und schauen Sie sich die Gewalt an, die bei den Wahlen ausbricht. Das wollen wir vermeiden. Wir halten das Leben der Menschen für wichtiger als die Aufrechterhaltung einer westlichen Ideologie. Außerdem ist es doch so, daß Oppositionsparteien in der Regel von ausländischen Mächten wie dem CIA und KGB finanziert werden. Das ist gefährlich. Unsere Geschichte basiert auf einem bewaffneten Kampf, den wir gewannen, und darauf, daß wir danach eine Politik der Versöhnung verfolgten. Deswegen wird sich auch das Einparteiensystem, das wir in Zimbabwe errichten wollen, von ähnlichen Modellen in Tansania, Sambia oder Malawi grundsätzlich unterscheiden. In den letzten 10 Jahren der Unabhängigkeit haben wir viel gelernt, was uns in der Ansicht bestärkt, daß das Einparteiensystem am geeignetsten ist, unser Land zu entwickeln und eine Umkehrung des Fortschritts zu verhindern.
Wäre das nicht eher in einem pluralistischen System möglich?
Es kommen immer wieder Leute aus Europa zu uns und sagen, warum macht ihr es nicht wie wir. Das ist verständlich, weil sie eben ihr System kennen. Aber sie müssen auch verstehen, daß wir uns in einem ganz anderen System befinden. Und das System, das wir geschaffen haben, halten wir für das richtige für unser Volk. Es ist ein junges Baby, das wir in Zimbabwe großziehen wollen. Wir versuchen ganz einfach zu erreichen, daß die Leute gegenüber der Partei loyal sind.
Meinen Sie, Zimbabwe sei noch nicht reif für die Demokratie?
Das kommt darauf an, was Sie unter Demokratie verstehen. Falls Sie darunter die Existenz einer Vielzahl von Parteien verstehen, kann das so sein. Aber für uns bedeutet Demokratie die Einbeziehung möglichst vieler Menschen in den Entscheidungsprozeß. Und ich glaube, daß wir dafür reif genug sind. Wir haben für eine sehr lange Zeit Demokratie gelebt - im Sinne eines Vielparteiensystems. Auch im Moment gibt es mehrere Parteien. In Wirklichkeit ist es jedoch inzwischen eine Partei. Von den 150 Parlamentariern kommen nur drei aus anderen Parteien. Das heißt, wir haben faktisch bereits den Einparteienstaat, aber einen, der sich demokratisch entwickelt hat.
Die Erfahrungen in Osteuropa zeigen, daß ohne Opposition, ohne Diskussion der Entwicklungsprozeß behindert statt gefördert wird...
Wir haben mehr Opposition innerhalb unserer Partei als außerhalb. Opposition muß nicht notwendigerweise institutionalisiert werden. Es reicht, wenn sie einfach zu bestimmten Anlässen erwacht. Wir brauchen keine Opposition um der Opposition willen.
Wenn das Einparteiensystem so demokratisch ist, warum haben Sie dann den Ausnahmezustand erst jetzt aufgehoben, ihn aber in den letzten Monaten noch fleißig dazu benutzt, um die Opposition in Ihrem Land zu unterdrücken, wie zuletzt vor einigen Wochen beim Streik der Lehrer?
Wir benutzten den Ausnahmezustand nicht zur Unterdrückung der Opposition. Ich betrachte den Streik auch nicht als Ausdruck von Opposition. Es ist doch nicht fair, daß Lehrer, die bereits zehnmal so viel verdienen wie die normalen Leute, noch mehr kriegen sollen, nur weil sie gebildet sind. Das halten wir für falsch, zumal ihre Arbeit eine Dienstleistung ist und nicht Teil der produktiven Arbeit, die das Land reicher macht. Wir haben eine große Arbeitslosigkeit. Da können wir es nicht zulassen, daß eine kleine Gruppe die Regierung erpreßt, um für sich Privilegien zu erzwingen.
Der Streik ist ein elementares demokratisches Grundrecht...
Demokratie sollte sich nicht wie ein wildes Tier gebärden dürfen. Demokratie muß zivilisiert und gezähmt sein, ein Mittel für den Fortschritt. Sehen Sie, unsere Geschichte ist eine Geschichte der andauernden Destabilisierung - erst durch den Sklavenhandel, später durch die Kolonialreiche, die im übrigen Einparteiensysteme waren..
Kein Grund, dies zu imitieren...
Doch, um so mehr Grund, es nachzumachen, weil wir es jetzt selber sind, die Regierungen stellen, die uns führen. Erst seit zehn Jahren können wir unsere eigenen kulturellen Vorstellungen wieder entwickeln. Das würden wir gerne fortsetzen. Deshalb sehen wir es auch nicht gerne, wenn der große Bruder aus Europa „Stop!“ sagt, weil er nicht versteht, was wir tun. Das macht nichts, denn wir verstehen, was wir tun.
Ein Einparteiensystem - auch für Mandelas Südafrika?
Es wäre für ihn schwieriger durchzusetzen, aber trotzdem richtig. Nur so wäre gewährleistet, daß die verschiedenen Stämme in Südafrika zusammenarbeiten. Demokratie bringt das System von Königen und Stämmen nur durcheinander. Dann kommt es zu blutigen Auseinandersetzungen. Die wollen wir vermeiden.
In anderen afrikanischen Ländern setzen sich die Leute gegen das Einparteiensystem zur Wehr..
Es sind die Unruhen, die ich nicht mag. Wenn die Veränderungen gewaltfrei vor sich gingen, dann hätte ich nichts dagegen.
Interview: Michael Bullard
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