: Die Liberianer wollen nur noch raus
■ Immer mehr Flüchtlinge in BRD-Botschaft / 33.000 Liberianer in US-Einrichtungen geflüchtet? / Doe will bis zum „letzten Soldaten“ kämpfen / USA erwägen „internationales Eingreifen“
Monrovia/Washington (afp/taz) - Das Chaos in der liberianischen Hauptstadt Monrovia wird immer größer. Nach dem Massaker an 600 Zivilisten, die von Doe-treuen Soldaten am Montag in einer Kirche ermordet wurden, flüchten die verbliebenen Zivilisten zu Tausenden in ausländische Vertretungen und Einrichtungen. Unterdessen liefern sich die verschiedenen Armeen hartnäckkige Straßenkämpfe.
Die Anzahl der Flüchtlinge, die sich in der BRD-Botschaft befinden, ist bis gestern vormittag auf 170 bis 175 gestiegen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn sagte der taz, das Botschaftsgelände, acht Kilometer außerhalb der Hauptstadt, sei mit vierzig Hektar groß genug für die Aufnahme von Flüchtlingen. Er widersprach Gerüchten, wonach diese auf die vor der Küste kreuzenden US-Kriegsschiffe ausgeflogen werden sollen: An eine Evakuierung werde „im Augenblick noch nicht“ gedacht. Kontakte zur liberianischen Regierung Doe bestehen nach Angaben des Sprechers nicht, doch existierten inoffizielle Kanäle zu Charles Taylors „National Patriotic Front“.
Nach einer Meldung der 'Los Angeles Times‘ sind etwa 33.000 Liberianer auf die Gelände der vielen US-amerikanischen Einrichtungen auf liberianischem Territorium geflüchtet. Sie hoffen offenbar, irgendwann auf die US-Kriegsschiffe vor der Küste ausgeflogen zu werden. Die meisten sollen sich auf den Grundstücken der CIA und des Senders „Voice of America“ aufhalten. Beamte des US-Außenministeriums klagten über Versorgungsschwierigkeiten für die Flüchtlinge. In Liberia befinden sich mehr US-amerikanische Einrichtungen als in jedem anderen schwarzafrikanischen Land, darunter Einsatzbasen für „Schnelle Eingreiftruppen“.
Der eingekesselte Samuel Doe kündigte unterdessen in einem BBC-Interview an, er werde weiterkämpfen, „bis die letzten Soldaten der liberianischen Armee sterben“. Getreu dieser Ankündigung leiteten die noch 500 Doe-treuen Soldaten gestern eine Offensive gegen die NPF ein. Von ihrem einzigen noch intakten Panzer gedeckt, drangen sie in die Innenstadt vor. Im Botschaftsviertel um Mamba Point, wo sich die britischen und amerikanischen Botschaftsgebäude befinden, sollen währenddessen Truppen des NPF-Abtrünnigen Prince Johnson vorgerückt sein.
„Wir sehen keine Chance für ein Ende der Kämpfe ohne eine Art internationalen Eingreifens“, erklärte der Afrika -Experte des US-Außenministeriums, Herman Cohen. Er fügte hinzu, daß die USA versuchen, eine Sondersitzung des UNO -Sicherheitsrates zur Lage in Liberia herbeizuführen. Gestern traf der liberianische UN-Botschafter William Bull in New York zu ebendiesem Zweck mit UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar zusammen.
D.J.
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