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Der „ehrenwerte“ Volksverhetzer

■ Berufungsverfahren gegen Ex-NPD-Mann Erich Gutjahr, der 1989 den Bundespräsidenten in der 'FAZ‘ als „größten Lump“ bezeichnet hatte / Gutjahr hält Geldstrafe für „größtes Unrecht“

Von K.P. Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) - Mit hochrotem Kopf verfolgt der 79jährige Erich Gutjahr die Berufungsverhandlung im Frankfurter Landgericht. Der Schweiß rinnt dem Rentner von der Stirn - und seine gebrechliche Ehefrau putzt ihm in den Verhandlungspausen die Brille. Auf der Anklagebank sitzt Gutjahr, - der den Holocaust abstreitet und sich schon in den 20er Jahren „zusammen mit Hiltler gegen die Verknechtung Deutschlands durch den Versailler Vertrag erhoben“ hatte weil er im Mai 1989 wieder einmal den Mund nicht halten halten konnte.

Als neuer ehrenamtlicher Stadtrat im Frankfurter Römer hatte Gutjahr seinerzeit gegenüber der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ erklärt, daß Bundespräsident Richard von Weizäcker „der größte Lump“ sei, der in Deutschland herumlaufe. Im übrigen seien die Juden schon wieder dabei das deutsche Volk „auszuplündern“ und der Zuzug weiterer Ausländer müsse unbedingt gestoppt werden, weil es in Deutschland schon genug Umweltverschmutzung gebe.

Für diese volksverhetzenden Sprüche wurde der inzwischen aus der NPD ausgetretene Gutjahr im März dieses Jahres vom Amtsgericht Frankfurt zu einer Geldstrafe von 6.000 DM verurteilt. Da ein Erich Gutjahr offenbar keinen Richard von Weizäcker beleidigen kann, blieb die Präsidentenbeschimpfung in der ersten Instanz ungesühnt. Der Bundespräsident hatte keinen Strafantrag gestellt.

Strafanzeige wegen Volksverhetzung hatte der ehrenamtliche Stadtrat für multikulturelle Angelegenheiten, Dany Cohn -Bendit (Die Grünen), erstattet - als Fürsprecher der AusländerInnen in der Stadt und als ein von der antisemitischen Hetze Gutjahrs betroffener Frankfurter Jude.

Doch Gutjahr, der auch sein Mandat als ehrenamtlicher Stadtrat niederlegen mußte, ging in die Berufung, denn das Urteil des Amtsgerichts sei das „größte Unrecht“ gewesen, das einem „ehrenwerten Bürger, der immer seine Pflicht getan hat“ je zugefügt worden sei. Wie schon in der erstinstanzlichen Verhandlung ließ er durch seinen Rechtsanwalt erklären, daß er die vom Amtsgericht als volksverhetzend gewerteten Sätze im Gespräch mit einer Journalistin der 'FAZ‘ so nicht vorgetragen habe. Gutjahr: „Da hat ganz bewußt eine Fälschung stattgefunden, um mir was ans Zeug zu flicken.“ Doch seinerzeit, als der Artikel über Gutjahr in der 'FAZ‘ für beträchtlichen Wirbel gesorgt hatte, meldete Gutjahr keinen Protest an. Im Gegenteil: Nur Tage später gewährte er der 'FAZ'-Journalistin erneut einen Gesprächstermin. In Anwesenheit eines Zeugen wiederholte Gutjahr seine Anwürfe gegen Ausländer und „jüdische Bauspekulanten“. Sein Fazit: „Lieber Grundstücke verstaatlichen, als an Juden verkaufen.“

Vor der Berufungskammer legte Gutjahr gestern Wert auf die Feststellung, daß er „kein Judenhasser“ sei. Zum Beweis dafür ließ er den amtierenden NPD-Landesvorsitzenden Hans Schmidt (49) vor Gericht antanzen. Der sollte Gutjahr eine „demokratische Gesinnung“ bescheinigen. Die beisitzende Richterin Ort war denn auch sichtlich genervt von dem Unterfangen der Verteidigung, den „Teufel“ mit den Aussagen eines Belzebubs entlasten zu wollen. Der Staatsanwalt verzichtete auf die Befragung des Zeugen Schmidt - und das Gericht schloß die Beweisaufnahme ab. Ob die Richter gestern noch ein abschließende Urteil fällten, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.

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