Die Hitze von Rio

■ No em Pingo d'Agua im Flöz

Berlin im August. Sehr heiß, sehr voll, sehr stickig und sehr lebendig. Ich denke an meine Zeit in Rio. Noch ein bißchen heißer, noch ein wenig voller und um einiges chaotischer, das wär's dann. Ich weiß nicht recht, ob ich froh oder traurig sein soll, daß ich jetzt nicht in diesem brasilianischen Moloch bin, sondern im immer noch einigermaßen gemütlichen Berlin. Aber ein kleines Stück Rio gibt es in dieser Stadt, den ganzen August über.

„No em Pingo d'Agua“ heißt die Band vom Zuckerhut, die mit ihrem typischen Brasil Jazz die Luft im kleinen Keller des Flöz noch heißer macht als sie eh schon ist. Gekommen sind sie über die „Ponte Aerea Cultural“, die neue „Kulturluftbrücke“ zwischen Berlin und Rio. Ein Projekt, initiiert von einem unermüdlichen Kellerkind West-Berlins, dem Flözer Franz de Byl, und einem in Rio ansässigen Franz -Freund, der gute Verbindungen zur Lufthansa hat. Ziel des Unternehmens: Rio soll die Berliner Jazzszene und Berlin die Instrumentalszene Rios kennenlernen. Freundschaften sollen geschlossen, neue musikalische Projekte über die Ozeane hinweg in Gang gebracht werden. Entao, vamos la.

Als erste Botschafter des Mythos Rio im Mythos Berlin nun also No em Pingo d'Agua am Mittwoch abend im Flöz. Die fünf Cariocas (Mario Seve: sax/fl; Rodrigo Lessa: Mandoline/ Cavaquinho/git; Rogerio Silva: git; Leonardo Lucini: b; Beto Cazes: dr/ perc), allesamt Meister ihres Fachs, spielen den nervösen, in schnelle und komplizierte Themen und Improvisationen verliebten brasilianischen Jazz, wie ich ihn oft in den Klubs Rios gehört habe.

Technische Brillanz, abgefahrene (stark synkopierte) Rhythmik und die teilweise sehr vertrackte Harmonik des für Rio so typischen Chorinhos sind das Gerüst, auf dem sich die Band traumwandlerisch sicher bewegt. Aber nicht nur Choro und Samba, sondern auch die sehr tanzbaren Rhythmen des Nordostens Brasiliens, wie zum Beispiel der Baiao, tauchen auf. Stilbrüche sind Konzept. Ein Samba wird zum Funk, ein Reggae zum Baiao.

Auch eine wunderschöne Ballade im Duo von Saxophon und Gitarre ist zu hören. Der Meister selbst allerdings, der Saxophonist Mario Seve, war's nicht ganz zufrieden: Das Blättchen seines Mundstücks sei eingetrocknet gewesen. Die Luft hier in Berlin sei viel trockener als in Rio. Aber ob nun feucht oder trocken, die Jungs hatten Lust am Spielen, das Publikum nahm's begeistert auf. Ein schöner Abend an der Copa im Keller.

Andreas Weiser

Noch bis zum 29.8. im Flöz.