Metropolenbasar für Ursprüngliches

■ Noise Khanyile with the Jo'burg City Stars Featuring Amagugu Akwazulu: Soweto

Jeden Abend finden sich am Tempodrom sehr viele Menschen ein, genauer: „ein bunt gemischtes Publikum aus Volk, Szene und Ghettobewohnern“, wie die Veranstalter etwas undurchsichtig formulieren, denn wo das Volk nun in Berlin seine Ghettoanwärter hingesteckt hat und wer die denn seien, wird nicht gesagt, nur soviel, daß dies buntgemische Publikum „sicherlich der größte Erfolg der Heimatklänge“ ist und zudem noch „ein beispielgebender Beitrag zur multikulturellen Friedenssicherung, der in Zukunft noch größere Bedeutung zukommen wird“.

Als bunte Multikultur drängen sich sehr hübsche Roma- und Sinti-Kids an den Schlangen vor der Theke vorbei und strecken ihre kleinste Schwester dem Barkeeper entgegen, um schneller ans Eis zu kommen. Der weist sie ab. So schieben sie sich ein paar Plätze weiter hinten in die Schlange vor Berliner, denen es multikulturell nicht angebracht scheint, die kleinen Vordrängler zu beschimpfen, denn die sind so hübsch und selbstbewußt, vor allem raucht ein vielleicht Zehnjähriger mit äußerst überzeugender Pose, und solche Sachen erledigt der SPDler lieber am Schreibtisch, wenn er weniger hübschen Asylanträgern ihr Recht beschneidet.

Umgeben von Marlboro-Sonnenschirmen wie im Osten sah das „bunte“ Publikum so aus wie das einer lustigen SPD-Party; noch nie sah man so viele fast erschreckend nichtssagend saubere Gesichter auf einem Haufen, selten fanden sich an einem Ort so viele kurzbehoste Menschen, die in ihrer Sommerfreizeit ganz sicher nichts Besseres zu tun haben, als sich die Benetton-Klamotten - „Multikultur“ wie Benetton restlos vom Körper zu reißen, selten sah man ein so von jedem Körpermusikgefühl ungetrübtes kolonialistisches Schunkeln zu den Klängen von Noise Khanyile with the Jo'burg City Stars and Amagugu Akwazulu. Da kann die Musik nichts dafür, die wie alle Heimatklänge dieses Jahres unter dem Titel Beat!Apartheid steht - ein bloßer Anreißertitel, denn über Apartheid wird kein einziges Wort verloren.

Das „come together“ konzertierter Weltmusikfestivals lebt vom Mythos der einen Sprache; das ist die Musik, die, frei von jeder Anstrengung kulturellen Verstehens, ein jedes Ohr bis zum Herzen erreichen soll; Musik, die den Ursprung zu wahren hat, um in England, Amerika oder West-Germany selten übrigens in den Heimatländern der Heimatklänge Erfolg zu haben; die, um in Europa anerkannt zu werden, sich aller Popvermischungen zu enthalten hat. Dazu gibt es eine recht bezeichnende Geschichte: Als sich Paul Simon auf der Suche nach den Ursprüngen echter Musik durch die schwarzen Shebeenkneipen führen ließ, die in den fünfziger Jahren einer damals populären und gleichzeitig revolutionären schwarzen Musik Heimat boten, war er äußerst enttäuscht, dort vor allem Michael Jackson und Madonna zu hören. Zurück in Amerika, schickte er den Ursprungsvergessern ein paar „echte“ Zuluplatten.

Nach der Pause verkündete der sympathische Ethnologe Borkowsky Akbar, „der in den ersten beiden Festivaljahren die Treffsicherheit seiner Trüffelnase vorgeführt“ hatte (Presseinfo), daß Noise Khanyile nun traditionelle Musik seiner Heimat vorstellen wolle, und fügte hinzu: „Kanyile sagt, daß sie so akzeptiert werden wollen, wie sie sind.“ Dann kommen ein paar Musiker mit Lendenschurzen aus abgeschnittenen Tierschwänzen, viel Perlen über nackten Bäuchen, einigen Buschutensilien, bunten Röckchen usw., und Khanyile, der Violinveteran, steigt um auf eine billige schwarze Bellini-Gitarre, spielt weiter und immer schöner wunderbar rhythmischen Jive. Traditionelle Zuluklänge vermischen sich mit zeitlosen Townshipstilen, weich antwortet der Frauenchor auf Khanyiles Gesang oder übernimmt selber die Stimmführung; allen nicht anwesenden Kiffern zur großen Freude wiederholen sich die weichen Rhythmen immer wieder und wieder, während die Gitarre ab und zu funkig wird, das Saxophon kleine Soli einfügt, der Baß soliden Untergrund bietet, die Drums vorwärtsdrängen, während man auf die Ziehharmonika wartet, die ein Ausbund an Freundlichkeit und Güte so begeistert bearbeitet und der Mixer zeitweise völlig vergessen hat. Die Texte sind fast begeisternd in ihrer - übersetzten - Einfachheit: „There is thunder on the lowland, even at Mahlabathini on the highland. Why is there thunder and lightning and it doesn't stop? Now there is damage caused by lightning and floods. But why?“

Amagugu Akwazulu - übersetzt heißt das „the happiness of Zulu- land“ - , ein dreiköpfiger Chor solider Mamas, zeigt, wie man Sex auf die Bühne bringen kann, ohne sexistisch zu sein. Stolz tanzen die drei Frauen weich, meist synchron, ohne Wert auf völlige Synchronität zu legen, in bunten Röckchen, zwei Schritt nach links, zwei nach rechts, dann die schweren Beine schwerelos gehoben, mit dem Po gewackelt oder lächelnd mit dem Becken auf dem Boden kniend; Erotik ist auch eine Frage der Sympathie, und dünne Beine sind meist unsympathisch, und wenn der Chor die Bühne verläßt, tanzen die Männer genauso, ernsthaft oder lustig - zwei Schritte nach links, zwei nach rechts, Bein gehoben. Neben mir tanzt ein schwarzer Junge mit Ich-war-dabei-T-Shirt und seiner Freundin. Berührungsängstlich weichen die Umstehenden.

Detlef Kuhlbrodt

Noch bis Sonntag, 5. August jeweils um 21 Uhr 30 umsonst und draußen vor dem Tempodrom.