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„Sie müssen das ganze System zerschlagen“

■ Der medienpolitische Sprecher der CDU, Bernd Neumann, zur Zukunft des Fernsehens in DDR und BRD

taz: Sie haben sich für die Zerschlagung des SED-Funks in der DDR stark gemacht. Eine Ausweitung des DFF als republikweites drittes Programm lehnen Sie entschieden ab. Die bestehenden Arbeitsgruppen sollen aufgelöst und in neue ARD-Länderanstalten integriert werden. Was wird dann aus den kleinen Sendern wie dem Saarländischen Rundfunk oder Radio Bremen?

Bernd Neumann: Ich trete dafür ein, daß die DDR nicht fünf, sondern zwei oder drei Rundfunkanstalten bekommt, eine im Norden, eine im Süden und der Rest beim SFB. Auch in der Bundesrepublik hat ja nicht jedes Land einen eigenen Sender.

Wenn ich die ARD-Struktur jetzt am Reißbrett neu entwerfen würde, würde sicher etwas anderes als das Bestehende dabei herauskommen. Aber das ist jetzt so gewachsen, die Menschen identifizieren sich mit ihrem Sender, und deswegen wäre es Quatsch - auch aus ökonomischen Gründen -, die Kleinen zu zerschlagen.

Aber wenn neue ARD-Anstalten dazukommen, sinkt der Programmanteil noch weiter, bei Radio Bremen zum Beispiel unter drei Prozent. Lohnt sich das überhaupt noch?

Ich würde mal ein neues Modell für die ARD vorschlagen: beispielsweise für kleine Sendeanstalten als Minimum drei Prozent, und die großen müssen etwas abgeben. Da müßten Regelungen leichter zu finden sein als im staatlichen Bereich.

Die Chance des zukünftigen öffentlich-rechtlichen Fernsehens sehe ich sowieso in der Regionalisierung. Serienschnulzen bieten die Privaten schon genug. Auch bei ARD und ZDF leide ich schon unter dem vermeintlichen Mehrheitsgeschmack der Leute, wenn ich mir den ganzen Kitsch am Wochenende angucken muß. Gute Spielfilme kommen nur in der Woche oder ganz spät.

Mein Wunsch wäre, die öffentlich-rechtlichen Sender nur über Gebühren und den Rest mit Werbung zu finanzieren. Dann würden viele Mißstände nicht passieren, die wir jetzt nur deshalb haben, weil den Privaten um Einschaltquoten nachgeeifert wird und der eigentliche Programmauftrag zunehmend zu kurz kommt. Der kulturelle Anteil bei ARD und ZDF sinkt. Dafür brauchen wir keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Die Gebühren in der DDR sind niedriger als in der BRD. Wie sollen sich die neuen ARD-Anstalten ohne Werbung finanzieren?

Die Gebühren in der DDR werden alsbald voll angehoben.

Aber der Apparat ist viel größer, der davon bezahlt werden muß...

Das ist dasselbe Problem wie in allen Bereichen. Das ZDF wird Landesstudios machen und eine Reihe von Mitarbeitern übernehmen. Die werden mit der ARD zusammen regionalisieren.

Die Situation ist ja anders als in anderen Bereichen der DDR-Wirtschaft: Den Fernsehapparat werden alle behalten, das Geld für die neuen Sender ist da, jetzt haben sie nur die Altlast. Und da wird dasselbe passieren wie anderswo auch: Sie müssen das ganze System zerschlagen. Wahrscheinlich wird die Hälfte der MitarbeiterInnen rausfliegen, und die anderen werden integriert.

Sollen dabei politische Kriterien angelegt werden?

Ich bin der festen Auffassung, daß diejenigen, die auf höherer und mittlerer Ebene Führungspositionen haben, und diejenigen, die nachweisbar jahrelang SED-Leute waren, nicht geeignet sind. Die würde ich alle auswechseln. Das sind aber nicht die meisten. Wir müssen da den Versuch der vergleichbaren Entnazifizierung machen, wir müssen denen eine Chance geben. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn jetzt überall neue Leute kämen, die demokratisch ausgebildet sind, sich in Mecklenburg prima auskennen und ein schönes Programm machen - das geht aber nicht. Selbst wenn Sie alle rausschmeißen könnten - wir haben doch die Leute gar nicht, sie zu ersetzen.

Und wer soll entscheiden, wer drinbleibt und wer rausfliegt?

Das machen die ja schon, die haben ein ziemlich hartes System, wo alles durchgegangen wird. Da kann man sich melden und sagen: Der und der hat mich damals rausgeschmissen, nur weil ich mir erlaubt hatte, eine Frage an Honecker zu stellen, die nicht richtig war.

Sie setzen auf den Selbstreinigungsprozeß?

Ja, schon automatisch dadurch, daß sie kürzer treten müssen. Wenn die MitarbeiterInnen wissen, nur die Hälfte kann bleiben, kommt es doch automatisch: Ich soll rausfliegen, ich habe nie mit diesem Regime zusammengearbeitet, und der da, der hat über Jahrzehnte alle hier geknebelt...

Sie sind also dafür, den DFF knapp bei Kasse zu halten?

Ja, dazu brauchen wir uns aber gar keine große Mühe zu geben. Die haben ja weniger Geld. Und durch die Kooperation mit ARD und ZDF gibt es automatisch andere Einflußnahmen.

Gibt es im DFF nicht auch Sendungen, die für ARD und ZDF vorbildlich sind?

Aber sicherlich gibt es da gute Sachen. Ich habe Sendungen gesehen, die waren so pfiffig, das wünschte ich mir hier mal. Wenn Sie heute bei uns Interviews sehen, die sind doch schon versaut. Wenn Herr Lueg mit Herrn Genscher redet, das ist so eingefahren, da passiert nichts mehr. In der DDR gibt es noch eine gewisse Frische, da wird Neuland betreten.

Interview: Dirk Asendorpf

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