: „Der Süden muß sich auf sich selbst verlassen“
■ Die Südkommission fordert in ihrem Bericht, der heute in Genf veröffentlicht wird, verstärkte „Süd-Süd-Kooperation“ / Keine Übernahme von Leitbildern aus dem Norden / Neue Schuldenabkommen zur Verringerung der Zins- und Rückzahlungslasten
Aus Genf Andreas Zumach
„Der Süden muß sich in erster Linie auf sich selbst verlassen, um voranzukommen. Wenn die Unterentwicklung überwunden werden soll, müssen die Länder des Südens die Fähigkeiten ihrer Bewohner und ihre Resourcen mobilisieren, um für ein beschleunigtes, gerechtes und dauerhaftes Wachstum zu sorgen.“ Das ist die zentrale Aussage im neuen Bericht der in Genf residierenden Südkommission, der heute veröffentlicht wird.
Die Kommission aus 28 Politikern, Wissenschaftlern und Kirchenleuten unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten Tansanias, Julius Nyerere, arbeitet seit 1987. Ihr gehören unter anderem Jamaikas Premierminister Michael Manley, Venezuelas Präsident Carlos Perez und der Erzbischof von Sao Paulo, Evaristo Arns, an.
Anders als in früheren Erklärungen fordert das Gremium im jüngsten Bericht ausdrücklich „auf den Menschen abgestimmte Entwicklungsstrategien“ und die „partizipatorische“ Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten in den Ländern des Südens. Das sei eine unerläßliche Voraussetzung für „die Beseitigung der absoluten Armut“.
Von außen vorgegebenen und mittels der Eliten der Süd -Länder von oben durchgesetzten Entwicklungsstrategien wird in dem Bericht ebenso eine deutliche Absage erteilt, wie der bisherigen Konzentration auf rein quantitatives Wirtschaftswachstum. Ohne die Demokratisierung politischer Strukturen, die Garantie der Menschenrechte und die Umschichtung bislang für Militär und innere Sicherheit verschwendeter Gelder können die Länder des Südens nach Überzeugung der 28 Experten weder ihre Situation verbessern, noch eine Veränderung im globalen Süd-Nord-Verhältnis erreichen.
Die Kommission warnt jedoch vor einer simplen „Übernahme von Lebensstilen und Konsummustern“ aus den Industriestaaten des Nordens. Das würde „die Ungleichheit verschärfen und die ökonomischen und ökologischen Belastungen intensivieren“. Die Experten empfehlen statt dessen, daß der Süden sich auf seine „enormen Reserven traditioneller Weisheit, Kreativität und unternehmerischen Geistes“ besinnen solle.
Darüber hinaus sei eine stark verbesserte „Süd-Süd -Kooperation“ sowie die Entwicklung von „Gegenmacht“ im Verhältnis zum Norden durch die Nutzung gemeinsamer Resourcen notwendig, heißt es in dem Bericht.
Die Kommssion nennt als Negativbeispiel den bisherigen Verlauf der Schuldenkrise: Bislang hatten sich die höchstverschuldeten Länder von den interantionalen Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank) auseinanderdividieren lassen, statt gemeinsam auf einen Schuldenerlaß oder zumindest verbesserte Rückzahlungsbedingungen zu drängen.
Konkrete Vorschläge für die Süd-Süd-Kooperation beinhalten die Bildung eines Schuldnerforums, die Gründung einer „Süd -Bank“, koordiniertes Vorgehen der Rohstoffanbieter auf dem Weltmarkt - vor allem bei Kaffee, Tee und Kakao - sowie die Durchführung regelmäßiger Gipfeltreffen der Südländer. Als wesentliche, gemeinsam zu vertretende Forderungen an den Norden nennt die Kommission die Stabilisierung der Rohstoffpreise, Umweltschutzabkommen und den Abbau des Protektionismus. Vor allem jedoch seien neue Schuldenabkommen zur Verringerung der Zins- und Rückzahlungslasten der Südländer nötig.
Die Kommission resümiert, daß die 80er Jahre ein verlorenes Jahrzehnt für die Bemühungen um ein neues Weltwirtschaftssystem gewesen seien - nicht zuletzt deshalb, weil die wirtschaftliche Kooperation der Südländer weit hinter der politischen Zusammenarbeit zurückgeblieben sei.
Doch, so schreiben die 28 Autoren mit leichtem Optimismus, hätten sich die Bedingungen für die Süd-Süd-Kooperation inzwischen verbessert, weil ihre Notwendigkeit klarer erkannt werde.
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