piwik no script img

Brennelementefabrik unter Kuratel

■ EG-Beamte sollen Atomfabrik im niedersächsischen Lingen vier Monate kontrollieren

Hannover (taz) - Die Brüsseler EG-Kommission hat jetzt Konsequenzen aus einem illegalen Atomtransport der Brennelementefabrik „Advanced Nuclear Fuels“ (ANF) gezogen und das in Lingen im Emsland ansässige Atomunternehmen für vier Monate unter Zwangsaufsicht gestellt.

Ab 15. August sollen externe Aufsichtsbeamte, die die EG-Kommission im Einvernehmen mit der Bundesregierung zu bestellen hat, den nuklearen Umschlagsbereich der Brennelementefabrik kontrollieren.

Zum ersten Mal seit der Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft im Jahre 1957 hat die EG-Kommission damit eine Zwangsmaßnahme nach Paragraph 83 des Euratomvertrages verhängt. Nach der Vorschrift können Atomfirmen, die gegen die Sicherheitsbestimmungen verstoßen, bis zu vier Monate unter Verwaltungsaufsicht gestellt werden.

Bei dem illegalen Atomtransport waren im Mai dieses Jahres mit einer Sendung eigentlich leerer Uran-Behälter „versehentlich“ auch ein gänzlich und ein zur Hälfte mit angereichertem Uran gefülltes Faß von ANF, Lingen, über Luxemburg in die USA zu ANF in Richmond geflogen worden. Fünf Tage lang waren die 129 Kilo Uran bis zur amerikanischen Pazifikküste unterwegs, ohne daß irgendein Transporteur, eine Zoll- oder Aufsichtsbehörde die heiße Fracht bemerkte.

Bei der Untersuchung des Falles kam die für die Kontrolle spaltbaren Materials zuständige Euratom jetzt zu dem Schluß, daß der illegale Transport ein erhebliches Risiko für Mensch und Umwelt dargestellt hatte.

Der Geschäftsführer von ANF, Lingen, Reinhard Faulhaber, hält demgegenüber die Maßnahme der EG-Kommission gegen sein Unternehmen weiterhin für „überzogen“. Das angereicherte Uran sei auch bei dem versehentlichen Transport in den normalerweise dafür vorgesehenen Behältern verschickt worden, sagte Faulhaber gestern. Nur die bei genehmigten Transporten vorgesehene Begleitung habe gefehlt. Inzwischen würde bei ANF in Lingen auch die Radioaktivität leerer Fässer gemessen, die die Fabrik verlassen würden. Versehentliche Atomtransporte wären damit ausgeschlossen.

Jürgen Voges

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen