: Ende der „Ära des billigen Öls“?
■ Internationale Märkte nervös - Ölindustrie cool / Kuwaitische Vermögen im Ausland eingefroren
Hamburg (dpa) - Fallende Kurse an allen Börsen und ein Ölpreis auf dem Weg zur 24-Dollar-Marke - einen Tag nach dem Einmarsch des Irak in Kuwait herrscht Nervosität an den Handelsplätzen der Welt. Doch obwohl US-Präsident George Bush sich am Donnerstag besorgt zeigte und die angesehene „Herald Tribune“ am Freitag auf ihrer ersten Seite schon über eine „tiefe Rezession“ spekuliert - die Mineralölindustrie bleibt vorerst kühl.
„In einigen Tagen oder Wochen ist der Spuk vorbei“, sagte der Vorsitzende des Mineralölwirtschaftsverbandes Herbert Detharding und ESSO-Pressesprecher Alexander Geck betont: „Wir sind krisenerfahren. 1973/74 und 1980/81 haben wir schlimmeres mitgemacht.“ Im Herbst 1973 war der Ölpreis sprunghaft von 2,30 Dollar auf über zehn Dollar pro Barrel angestiegen. Die Folge waren ein wirtschaftlicher Einbruch und Benzinersparnisse im großen Stil mit Sonntagsfahrverboten.
Die Zuversicht der Industrie heute kommt nicht von ungefähr. Schon Monate vor dem neuen Golf-Krieg hatten die Erdölländer weit über ihre Quoten hinaus verkauft. Die Läger der Mineralölfirmen sind bis zum Rand voll. Auf 468 Millionen Tonnen schätzt die Internationale Energie Agentur (IEA) in Paris die Kapazitäten in den 24 OECD-Staaten am 1. Juli.
Irak und Kuwait liegen zwar mit zusammen knapp 20 Prozent der Weltölreserven auf Platz zwei und drei in der Liste der Ölstaaten auf der Erde, sie verkauften aber zusammen gerade rund 230 Millionen Tonnen von den ungefähr drei Milliarden Tonnen Erdöl, die 1989 gefördert wurden.
Selbst wenn der irakische Diktator Saddam Hussein seinen Wunschpreis von 25 Dollar pro Barrel (159 Liter) in der Organisation der erdölproduzierenden Länder OPEC dauerhaft durchsetzen kann, werden weniger die Staaten der Ersten und Zweiten Welt draufzahlen. Die Bundesrepublik bezieht den Großteil ihres Öls aus der Nordsee und aus Libyen.
Verlierer wären vielmehr die Länder der Dritten Welt, die energieintensiver produzieren und meist keine eigenen Vorkommen haben. Wie schon nach der ersten Ölkrise vom Herbst 1973 müßten die ärmsten Länder ihre knappen Devisen für teures Öl ausgeben, die Schuldenberge würden neue Höchststände erreichen. Und in den USA fürchtet man bei einem Anstieg des Barrel-Preises auf 30 Dollar einen weiteren Einbruch der ohnehin schon geschwächten Konjunktur.
Ein höherer Ölpreis hätte aber nach Ansicht von Experten auch Vorteile. Die Erfahrung der Krisen in den 70er und Anfang der 80er Jahre zeigt nämlich: Die Industriestaten reagieren auf teures Öl mit rigeroser Sparpolitik. Der Industrieriese Japan etwa, der sein Öl zu fast 100 Prozent importiert, hat seit der ersten Krise 1973 seinen Ölverbrauch um 29 Prozent gesenkt.
Die Bundesrepublik, Japan und mehrere europäische Länder haben am Freitag kuwaitisches Vermögen eingefroren, um es vor dem Zugriff Iraks zu schützen. Sie folgten dem Beispiel Großbritanniens und Frankreichs, die am Donnerstag direkt nach dem Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait mit dieser Maßnahme reagierten. Irak und Kuwait halten weltweit hohe Beteiligungen und haben Milliardenvermögen bei ausländischen Kreditinstituten deponiert. Der Irak ist allerdings mit 70 Milliarden Dollar im westlichen Ausland und bei seinen arabischen Nachbarn verschuldet.
Die Bundesregierung setzte auch die Ausfuhrgewährleistungen, wie etwa die Hermes-Bürgschaften, aus. Belgien forderte seine Kreditinstitute auf, kuwaitisches Vermögen im Land sofort zu blockieren, irakische Konten könnten hingegen aus Rechtsgründen nicht gesperrt werden. US-Präsident George Bush hatte am Donnerstag wenige Stunden nach der irakischen Invasion verfügt, irakischen Besitz und Guthaben in den USA und bei US-Banken im Ausland zu blockieren. Auch Italien fror mit sofortiger Wirkung kuwaitisches Vermögen ein, gab Außenminister Gianni De Michelis in Rom bekannt.
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